Editorial

Tipp 194: Deformations-Marker

Trick 194

Mit der Parallelen Mikrofiltration lässt sich der epithelial-mesenchymale Übergang von Zellen nachweisen. Foto: M. de Graauw

Die Mechanotypisierung von Zellen mit einer einfachen Mikrofiltrations-Technik lässt Rückschlüsse auf krankhafte Veränderungen zu.

In kranken Zellen verändern sich nicht nur Stoffwechselwege und biochemische Prozesse. Auch die mechanischen Eigenschaften der Zelle ändern sich. So sind zum Beispiel Krebszellen in der Regel deutlich weicher als normale Zellen und lassen sich einfacher verformen. Der Mechanotyp einer Zelle liefert deshalb wichtige Informationen zu ihrem Status und zu möglichen Krankheiten. Entsprechend groß ist die Hoffnung vieler Forscher, die Mechanotypisierung als Zellanalyse-Methode zu etablieren, die zum Beispiel in der Krebsdiagnostik oder bei der Suche nach neuen Wirkstoffen eingesetzt werden könnte.

Die bisherigen Mechano­typisierungs-Techniken sind jedoch alles andere als perfekt: Viskoelastizitätsmessungen von Zellen durch Mikropipetten-Aspiration, Rasterkraft-Mikroskope oder Cantilever-Kompression sind nur für die Charakterisierung kleiner Zellzahlen geeignet. Auch Filterverfahren, die die Verformung der Zellen auf ihrem Weg durch Membranporen messen, sind nicht Hochdurchsatz-tauglich. Andere Methoden, wie die Deformations-Zytometrie, sind zeitaufwändig und liefern die Messergebnisse erst nach mehr als einer Stunde. So viel Geduld haben Krebsdiagnostiker zumeist nicht, die eine Mechano­typisierungs-Methode benötigen, mit der sie verschiedene Proben in einem Durchgang in möglichst kurzer Zeit untersuchen können.

Diesem Wunsch recht nahe kommt das neue Parallele Mikrofiltrations (PMF)-Mechanotypisierungs-Verfahren, das Amy Rowats Gruppe von der University of California entwickelte (Qi et al., Sci. Reports. 5:17595). Die für die PMF nötige Apparatur ist relativ simpel und sollte von jeder Institutswerkstatt herzustellen sein. Sie besteht aus fünf wesentlichen Bauteilen: einer Aluminiumplatte mit aufgesetztem Manometer sowie einer Plastikkammer an der Unterseite, die als Druckkammer dient; einer Ladeplatte aus 2,5 cm starkem ­Plexiglas mit 96 Löchern; einer Membran; einer Bodenplatte aus Plexiglas mit 96 Vertiefungen, an deren oberen Rändern O-Ringe aus Gummi sitzen, sowie einer zweiten Aluminiumplatte.

Die Membran platziert man zwischen Lade- und Bodenplatte und befüllt die Löcher der Ladeplatte mit den Zellsuspensionen. Anschließend baut man die PMF-Apparatur zusammen. Hierzu klemmt man Lade- und Bodenplatte zwischen die beiden Aluminiumplatten und verschraubt diese miteinander. Eine zusätzliche Gummidichtung zwischen der Druckkammer und der Ladeplatte verhindert, dass Luft entweichen kann, sobald man das Manometer an eine Druckluftflasche anschließt.

Leichter deformierbare Krebszellen

Beaufschlagt man die Ladeplatte für eine definierte Zeit mit einem gleichbleibenden Druck von einigen kPa, so werden die Zellen in den Löchern der Ladeplatte durch die Poren der Membran hindurch in die Vertiefungen der Bodenplatte gepresst. Wie viele Zellen in dieser Zeit durch die Poren der Membran schlüpfen, hängt im wesentlichen von ihrer Deformierbarkeit ab. Da Krebszellen weicher sind als gesunde Zellen, quetschen sie sich viel leichter durch die Poren der Membran als die festeren gesunden Zellen, die sie stärker verstopfen. Um gesunde Zellen von Krebszellen zu unterscheiden, muss man also im Grunde nur messen, wie viele der eingesetzten Zellen in der Ladeplatte zurückgehalten werden.

Genau dies taten Qi et al., um die Praxistauglichkeit der PMF-Mechanotypisierung anhand verschiedener Zelltypen zu testen. So erhielten sie zum Beispiel bei PMF-Experimenten mit murinen Epithelzellen (MOSE-Zellen), die die Gruppe mit Membranen mit Porengrößen von 10 µm und einem Druck von 2.1 kPa durchführte, eine Retention von etwa 90 Prozent. Überführten die Forscher die gesunden MOSE-Zellen durch die Überexpression eines Oncogens in Krebszellen, so sank die Retention auf 32 Prozent.

Auch bei Krebszellen, in denen Qi und Co. durch die Überexpression entsprechender Transkriptionsfaktoren einen epithelial-mesenchymalen Übergang (EMT) auslösten – der häufig bei Krebszellen zu beobachten ist, die eine erhöhte Motilität aufweisen – veränderte sich die Retention. In diesen Zellen war sie geringer als bei den Kontrollen, was auf eine geringere Festigkeit der EMT-Zellen schließen lässt.

Die PMF ist aber auch dazu geeignet unbekannte EMT-Zellen zu kategorisieren. Rowats Team screente mit ihr verschiedene EMT-Zellinien, deren Identität die Forscher nicht kannten, und ordnete sie anhand der Retention in die Kategorien mesenchymal oder epithelial ein. In Western Blots bestätigte sich, dass die anhand der PMF getroffene Einteilung tatsächlich korrekt war.

Das größte Potential der Parallelen Microfiltrations-Technik sieht Rowat entsprechend im Screening von Zelllinien oder Patientenproben.

Harald Zähringer



Letzte Änderungen: 28.01.2016