Editorial

Tipp 192: Weniger ist oft mehr - Verwendung von fötalem Kälberserum

Trick 192

Nicht nur die Leberzellen von gemästeten Gänsen verfetten. Auch Hepatozyten, die in Medien mit zu viel FBS kultiviert werden erleiden dieses Schicksal.

„Möglichst viel teures fötales Kälberserum in den Medien verwenden“, ist das Motto in vielen Zellkulturlaboren. Nicht jeder Zelle tut man damit einen Gefallen.

Aufgrund des Editorials in Laborjournal 9/2015 zur Verwendung von fötalem Kälberserum (FBS, FCS) in der Zellkultur möchte ich einige Erkenntnisse aus 30 Jahren Labor-Erfahrung im Umgang mit Zellkulturen an die Leser des Laborjournals weitergeben.

Viele Zellkultivierer klammern sich an etablierte Methoden und sind der Meinung, dass es den Zellen besser geht, wenn dem Kulturmedium möglichst viel (10 bis15 Prozent) teures FBS zugesetzt wird. Nach meiner Erfahrung ist der Grundsatz: „Viel hilft viel“ bei FBS fehl am Platz. So verfetten zum Beispiel Hepatocyten, wenn mehr als zehn Prozent FBS im Medium enthalten ist. In der Regel sind sechs bis sieben Prozent FBS für die Zellkultur ausreichend.

Wachstumsfaktoren im FBS (die nicht definiert sind) sind nach meiner Erfahrung nur für Primärkulturen und frühe Passagen nötig, denn fast alle „etablierten“ Zelllinien (Tumorzellen, anderweitig immortalisierte Zellen) produzieren „ihre“ Wachstumsfaktoren (GFs) selbst.

Zelleigene GFs adhärenter Kulturen sind oft Trypsin-empfindlich. Deshalb sollte man die Trypsin-Konzentration reduzieren und die Inkubationszeit etwas verlängern (möglichst auf dem Wipper/Schüttler im 37°C-Schrank). Noch ein weiterer Trick: geben Sie nach dem Zell-Split ein Zehntel konditioniertes Medium (der Mutterflasche mit sezernierten GFs) zu.

Im ehemaligen Labor von Hartmut Rabes am Institut für Pathologie der Universität München gelang es bereits Ende der 90er Jahre diverse hepatozelluläre und sonstige Zelllinien ab der Immortalisation problemlos in drei bis fünf Stufen über zwei bis drei Wochen auf kostengünstigeres Serum von Kälbern umzustellen (KS, das Kalb ist älter als zehn Tage, das Serum ist für simple mesenchymale Zelllinien/Fibroblasten geeignet). Wir konnten hierbei auch nach mehreren Wochen keine Veränderungen bei Morphologie, Wachstumsraten und Funktionalität feststellen.

Wir haben auch mehrfach versucht Zellkulturen auf „synthetische“ Seren verschiedener Hersteller umzustellen. Diese waren jedoch für Hepatocyten wenig geeignet und wir mussten mindestens vier Prozent Neugeborenen-Kälberserum (NCS, nur das wenige Tage alte Kalb wird getötet) beibehalten. Die Zellkultur wurde hierdurch zeitaufwendiger als üblich. Von Rinderserum (BS), das von adulten Rindern stammt ist abzuraten, da auch Antikörper und wer weiss was sonst noch darin enthalten sind.

Manch eingefleischte Immunhistologen verwenden leider ebenfalls FCS zur Verdünnung ihrer Antikörper (Ab). Weil die ersten klonierten molekularen Antikörper (mAbs) noch direkt in Zellkultur-(ZK)Medium geliefert wurden, verdünnte man sie auch mit ZK-Medium. Das ist heutzutage Nonsens und rausgeworfenes Geld für Medium sowie FBS.

Bei der Immunhistologie wie auch bei Western-Blots ist schlicht eine Mindestmenge an Gesamtprotein (insbesondere bei hohen Verdünnungen) in der Inkubationslösung erforderlich. Für die ­Immunhistologie sind Ready-to-use-Verdünnungslösungen oder BSA besser geeignet, für Western-Blots nimmt man Magermilch-Pulver.

Bleibt nur die Hoffnung, dass mehr Forscher beim Gebrauch von FBS von der Maxime „Teuer und viel hilft viel“ abkommen und nicht mehr so viele der Mutterkühe kurz vor Geburt für die FBS-Gewinnung geschlachtet werden müssen.

Rosi Kerler
(pensionierte Mitarbeiterin des Instituts für Pathologie der Universität München)



Letzte Änderungen: 09.11.2015