Editorial

Tipp 162:
miRNA-Ziele finden

Trick 162

Ein neuer, treffsicherer Assay erleichtert die Identifikation von miRNA-Zielen.

Forscher suchen mit Hochdruck nach Zielen von microRNAs in humanen Zellen. Ein neuer Assay erleichtert die Suche und erhöht die Trefferquote.

miRNA-Ziele finden

In humanen Zellen unterbinden microRNAs (miRNAs) meist die Translation ihrer Ziel-mRNA, in seltenen Fällen leiten sie auch deren Abbau ein. Bis dato haben Forscher mehr als 1.000 miRNAs­ in menschlichen Zellen identifiziert. Diesen stehen aber nur etwas mehr als 200 mRNAs gegenüber, die als miRNA-Ziele experimentell bestätigt sind. Bisher setzen Molekularbiologen zumeist Computer­programme ein, um mögliche miRNA-Ziele aufzuspüren. Die Computeralgorithmen der Bioinformatiker bilden die Realität in den Zellen aber nicht immer korrekt ab.

Ein Team am King‘s College in London hat eine Methode vorgestellt, mit der man miRNA-Ziele nicht am Computer, sondern mit einem experimentellen Assay dingfest machen kann (Gäken et al., Nucleic Acids Research, 2012, 40, e75). Die Engländer spielen dabei äußerst geschickt auf der Klaviatur des plasmidvermittelten An- und Abschaltens von Antibiotikaresistenzen.

Konkret sieht ihre Strategie wie folgt aus. Zunächst stellt man eine möglichst vollständige cDNA-Bibliothek aus der RNA der anvisierten Zelle her, die auch die von miRNAs bevorzugten 3‘-UTR-Regionen enthält. Diese 3‘-UTR-Bibliothek kloniert man hinter ein TKzeo-Fusionsgen und schleust sie anschließend in ein Zellsystem ein, das die in Frage kommende miRNA nicht exprimiert. Das TKzeo-Fusionsgen verhilft den transfizierten Zellen zur Resistenz gegenüber dem Antibiotikum Zeocin, macht sie aber gleichzeitig auch empfindlich gegenüber Ganciclovir. Die Zeocin-Resistenz nutzt man im nächsten Schritt aus, um Zellen zu selektionieren, die die 3‘-UTR-Bibliothek exprimieren. Dazu zieht man die transfizierten Zellen in Medium an, das Zeocin enthält. Die Zellen päppelt man weiter in Zeocin-haltigem Medium auf, bis sie ausreichend dicht gewachsen sind. Anschließend transfiziert man sie mit einem Plasmid, das die zu untersuchende miRNA beherbergt.

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Dann geht das Spiel mit der Antibiotikaresistenz erneut los, wobei man die transfizierten Zellen jetzt in Ganciclovir-haltigem Medium anzieht. Der Grund hierfür ist einfach: Bindet die miRNA an eine Ziel-mRNA der 3‘-UTR-Bibliothek, so wird diese, mitsamt der TKzeo-mRNA, entweder zerstückelt oder ihre Translation­ wird inhibiert. Sobald das TKzeo-Gen nicht mehr exprimiert wird, verschwindet aber die Empfindlichkeit gegenüber Ganciclovir. Zellen, die in Ganciclovir-haltigem Medium wachsen, sollten also Ziele der untersuchten miRNA enthalten. Die entsprechenden 3‘-UTR-Sequenzen muss man dann nur noch extrahieren und mit einer PCR amplifizieren, um sie abschließend sequenzieren zu können.

Funktioneller Assay

Das Interessante an diesem Assay ist, dass er nicht auf bloßen Homologie-Vorhersagen oder der Bindung einer miRNA an die Ziel-mRNA basiert, sondern auf der funktionellen Aktivität der miRNA. Dabei spielt es keine Rolle, ob die miRNA-Ziele durch Inhibition der Translation oder den Abbau der mRNA außer Gefecht gesetzt werden.

Man findet mit dieser Methode jedoch nur Ziel-mRNAs, die durch die miRNA-Maschinerie nahezu vollständig herunter reguliert werden und die auch tatsächlich in der 3‘-UTR-Bibliothek vorhanden sind. Um möglichst viele Ziel-mRNAs aufspüren zu können, hat die Gruppe inzwischen eine cDNA-Bibliothek in einem TKzeo-Vektor mit der sogenannten Universal-Human-Reference-Total-RNA konstruiert, die fast 17.000 humane Gene abdeckt.

Harald Zähringer




Letzte Änderungen: 05.09.2012