Editorial

Rotlichtbezirk

Erlebnisse einer TA (172)

Ute Ipe


Die TA

Egal in welchem Institut man arbeitet, wissenschaftliche Führungspersonen sind unerlässlich. Sie sollen als Mentoren für das heranwachsende Forschervolk dienen und im besten Fall auch die Laborstruktur auf Kurs halten. Letzteres wird allerdings doch gerne vernachlässigt, es gibt einfach zu viel zu erforschen. Aber dazu ein anderes Mal mehr ...

Abgesehen davon geschieht es jedoch oft, dass auch erfahrene Laborleitungspersonen über kurz oder lang ihre Besonderheiten entwickeln. Tatsächlich sind sie ja auch nur Menschen. Ich selbst hatte mal mit den folgenden zwei besonders spaßigen Exemplaren zu tun:

Der eine Laborleiter war ein gestandener und eigentlich ganz umgänglicher Wissenschaftler. Bis auf die Momente, in denen er wild pfeifend über die Flure wandelte. Dagegen wirkte „Spiel mir das Lied vom Tod“ wie ein Kinderlied. Das komplette Laborteam wusste sofort Bescheid und beeilte sich, in Deckung zu gehen oder den Tarnanzug überzustülpen. Auf keinen Fall wollte man diesem pfeifenden Herrn in die Hände fallen. Meistens gelang das auch gut. Aber wenn es dann doch mal schiefging, durfte sich der in die Fänge geratene Labormensch einen Schwall übellauniger Tiraden anhören. Schlecht für ihn, gut für den Rest der Mannschaft. So entwich beim pfeifenden Herrn der Druck vom Kessel und seine emotionale Lage stabilisierte sich wieder. Manchmal müssen halt Opfer gebracht werden.

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Der andere Laborleiter fühlte sich trotz eines DIN-A3-großen Türschilds mit „Bitte nicht stören!!“ zu oft belästigt. Deshalb hatte er sich eine Lampenkonstruktion an seine Bürotür basteln lassen. Sie bestand aus einer großen und einer kleinen roten Leuchte, die er vom Schreibtisch aus bedienen konnte. Wenn beide Lampen aus waren, war der Mann persönlich ansprechbar. Leuchtete die kleine rote Lampe, konnte man ihn noch telefonisch erreichen. Wenn die große rote Lampe brannte, galt: Bitte gar nicht stören, weder telefonisch noch persönlich und überhaupt!

Eigentlich sollte damit alles geklärt sein. Aber nein, das reichte dem Laborleiter nicht. Und so gab es noch die Eskalationsstufe „beide roten Lampen leuchten“. Das bedeutete: Absolute Funkstille! Immer! Es gibt keine Notfälle, die eine Störung rechtfertigen würden! BLEIBT MIR GEFÄLLIGST VOM LEIB!

Kann man machen. Für mich hatte er jedoch selbst nicht so richtig alle Lampen am Leuchten. Aber das steht auf einem anderen Blatt.

Wortschwall der Entrüstung

Dummerweise jedoch heftete der störungsempfindliche Laborleiter leider kein Leucht-ABC seines Rotlichtbezirks unter die Lampen-Kombi. Und so kam es immer wieder vor, dass ein unbedarfter Wissenschaftler trotz beider angeschalteten roten Warnleuchten an die Tür klopfte – und das Büro sogar betrat. Mit einem gewaltigen Wortschwall der Entrüstung wies der so Gestörte auf das Lampensignal hin und pustete den schlagartig geschrumpften wissenschaftlichen Störenfried aus der Türöffnung.

Im Laufe der Zeit kam es natürlich auch immer öfter vor, dass der Lampenherrscher vergaß, seine Rotlichtbeleuchtung wieder abzuschalten. Konsterniert beklagte er sich dann, dass den ganzen Tag niemand mit ihm sprach. Doch auf keinen Fall wurde er dann auf die Lampensituation hingewiesen. Das hätte nur für noch mehr Lichter-Wirrwarr gesorgt.

Tja, so oder so ähnlich sieht‘s eben manchmal aus mit den Gefühlslagen der wissenschaftlichen Laborführungskräfte. Unsereiner hilft dann stets nur eins: Einfach laufen lassen und nicht zu viel darauf geben.



Letzte Änderungen: 24.04.2024