Editorial

Lernen und Kommunikation

Zitationsvergleich 2000 bis 2003: Verhaltensforschung
von Lara Winckler, Laborjournal 12/2006


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Die Verhaltensforschung im deutschsprachigen Raum zeigt eine klare Tendenz hin zur Erforschung von Kommunikation - bei Vögeln, Primaten und sozialen Insekten. Hochburgen der Verhaltensforschung scheinen Wien, Berlin, Würzburg und Leipzig zu sein.

Die Verhaltensforschung gehört zu den Schnittstellen-Disziplinen in den Life Sciences - sie als pure "klassische" vergleichende Verhaltensforschung zu betrachten ist kaum möglich. Über Fragen nach Auslösern bestimmter Verhaltensmuster, der Steuerung von Verhalten und der Beeinflussung durch die Umwelt treffen so unterschiedliche Fachgebiete wie Ökologie und Evolutionsforschung auf Genetik, Neurobiologie und Psychiatrie.

Um die klassischen Verhaltensbiologen nicht untergehen zu lassen gegenüber den Verhaltensneurowissenschaftlern, die wesentlich mehr Artikel mit wesentlich mehr Zitierungen vorzuweisen haben, wurde hier eine Grenze gezogen: Die Erforschung von pathologischem oder durch Drogen beeinflusstem Verhalten wird in einem eigenen Zitationsvergleich "Verhaltensneurowissenschaften" betrachtet.

Doch auch ohne sie fällt die Abgrenzung noch schwer genug.


Lieblingstiere

Vor siebzig Jahren begründete Konrad Lorenz in Wien die Verhaltensbiologie mit der Formulierung seiner Theorie der Instinktbewegungen. Noch heute zählt Wien zu den "Hochburgen" der Verhaltensforschung: Sechs der Top 50-Forscher arbeiteten zwischen 2000 und 2003 zumindest teilweise in Wien, unter ihnen Bernhard Ronacher (28.), der seit 2001 an der Verhaltensphysiologie der HU Berlin die akustische Kommunikation von Heuschrecken und die visuelle Mustererkennung bei Honigbienen untersucht.

Honigbienen zählen übrigens zusammen mit anderen sozialen Insekten - vor allem Ameisen - zu den liebsten Objekten in der Verhaltensforschung. Elf der Top 50 haben sie in den Fokus ihrer Forschung gerückt, allen voran drei Würzburger: Ameisenforscher Bert Hölldobler (2.) und Jürgen Gadau (14.) sowie Jürgen Tautz (5.) von der "Beegroup" am Biozentrum. Von Hölldobler stammt auch das Buch "The Ants”, für das er gemeinsam mit Edward O. Wilson, dem Begründer der Soziobiologie, einst den Pulitzer-Preis erhielt.


Ganz oben auf der Liste der beliebten Forschungsobjekte stehen jedoch die Vögel: Am MPI für Ornithologie, das aus der Vogelwarte Radolfzell und der Abteilung von Eberhard Gwinner (17.) am (2005 aufgelösten) MPI für Verhaltensphysiologie in Seewiesen hervorgegangen ist, betreibt Bart Kempenaers (3.) evolutionsorientierte Verhaltensforschung an Schwalben, Blaumeisen und Seevögeln. Ihn - und elf weitere Top 50-Forscher - interessieren das Sozial- und Kommunikationsverhalten der Vögel und konvergent entwickelte kognitive Leistungen bei den verschiedenen Arten. Der Frankfurter Zoologe Wolfgang Wiltschko (9.) etwa wies der Anfang der sechziger Jahre nach, dass Vögel sich am Magnetfeld der Erde orientieren, also über einen Magnetkompass verfügen.

Gwinner war Gründungsdirektor des MPIs für Ornithologie. Bis zu seinem Tod 2004 erforschte er unter anderem Tages- und Jahresrhythmen bei Vögeln - die er in den sechziger Jahren experimentell nachwies -, deren räumliches Lernen beim Vogelzug sowie Physiologie und Strategien des Vogelzugs.


Affenschach

Erst an dritter Stelle auf der Beliebtheitsskala der Verhaltensforscher stehen die nächsten Verwandten: Christophe Boesch (1.), Leiter der Primatologie am MPI für Evolutionäre Anthropologie Leipzig und Gründer der Wild Chimpanzee Foundation, erforscht seit zwanzig Jahren Sozialverhalten und kulturelle Errungenschaften wilder Schimpansen. Die etwas zahmeren Artgenossen werden am Primatenforschungszentrum im Leipziger Zoo (Pongoland) von Boeschs Wissenschaftler-Kollegen um Direktor Michael Tomasello (4.) und Co-Direktor Josep Call (8.) beim Affenschach oder bei einer Hütchenspielvariante mit Weintrauben beobachtet. Lernverhalten und Kommunikation bei Primaten sind auch die Themen der zwei meistzitierten Artikel.

Auch "Exoten" sind vertreten: Hans-Ulrich Schnitzler (18.) etwa untersucht das Jagdverhalten von Fledermäusen, Heinz Ulrich Reyer (23.) hat das Paarungs-, Brut- und Überwinterungsverhalten von Fröschen zum Thema. Bernhard Fink (43.) vom Wiener Ludwig Boltzmann Institut für Stadtethologie ist dem Geheimnis der Attraktivität des Mannes auf der Spur. Heribert Hofer (34.) vom Berliner Institut für Zoo- und Wildtierforschung wagt sich gar unter Hyänen.


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Letzte Änderungen: 08.01.2007