Editorial

Was zählt, was nicht?

Zitationsvergleich 1998 bis 2000: Nieren- und Hochdruckforschung
von Ralf Neumann, Laborjournal 4/2003


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Vor allem die Spitzen machten Probleme um zu einem fairen Vergleich der Nieren- und Hochdruckforscher zu kommen.

Die Zunft der Nephrologen beschrieb Walter Zidek, Direktor der Inneren Medizin IV am Berliner Universitätsklinikum Benjamin Franklin, bei seinem Amtsantritt im Jahr 2000 so: "Die Nephrologie beschäftigt sich mit Nierenerkrankungen, mit Bluthochdruck, mit Störungen des Flüssigkeits- und Mineralhaushalts und mit nierentransplantierten Patienten." Womit das Feld abgesteckt wäre.


Was tun mit Multi-Center-Trials?

Ein wenig Probleme gibt es jedoch beim Bluthochdruck, denn die ist ja durchaus auch Forschungsgegenstand von Kardiologen und Gefäßforschern. Dies allerdings unter oftmals anderen Gesichtspunkten – weswegen wir sie nicht mit den "Nieren- und Hochdruckforschern" vermischen wollten. Zumal die Herz- und Gefäßforscher samt deren Hypertonie-Spezialisten ja erst kürzlich ihren Zitationsvergleich hatten (LJ 09/2002, S. 40).

Trotz dieser Eingrenzung waren damit aber noch lange nicht alle Probleme gelöst. Vor allem, was die Spitzen der Tabellen betrifft. Analysiert man etwa die bis heute meistzitierten Publikationen der Jahre 1998-2000, so offenbaren einem die Datenbanken eine klinische Studie zur Blutdrucksenkung samt kombinierter Aspiringabe als einsamen Spitzenreiter: Über 1150mal wurde das entsprechende Lancet-Paper von 1998 bis heute zitiert. Das Problem dabei: Die Studie ist ein sogenannter "Multi-Center-Trial" der so genannten "Hypertension Optimal Treatment Study Group" (HOT), namentlich lediglich gezeichnet von den Mitgliedern des Exekutiv-Komitees. Einer von deren Zehn: der Leiter der Nephrologie am Uniklinikum Münster, Karl Heinz Rahn. Diesem jetzt aber auch noch die vielen Zitierungen der Studie für seine Platzierung in der "Köpfe"-Liste zuzuschreiben, hielten wir jedoch für nicht ganz angemessen – und verfuhren wie seinerzeit bei den ebenso viel zitierten Multi-Autoren-Papern zur Vorstellung kompletter Genomsequenzen: Wir zählten sie – wie auch andere Multi-Center Trials – in der Autorenwertung nicht mit.





Gut zitiert, aber "faul"

Völlig anders lagen die Dinge beim am zweithäufigsten zitierten Paper. Dabei handelt es sich um das mittlerweile berühmte "Göttinger Gebräu" der Erstautoren Alexander Kugler und Gernot Stuhler, in dem sie beschrieben, wie sie Nierenzellkarzinome durch Vakzinierung mit Hybriden aus Tumorzellen und dendritischen Zellen zum Schmelzen gebracht haben wollten. Nur tauchten in diesem Paper – wie zuletzt ausführlich berichtet – derart viele Ungereimtheiten auf, dass ihm nicht mehr trauen ist (LJ 7-8/2001, S.18). Alexander Kugler wurde inzwischen offiziell wissenschaftliches Fehlverhalten bescheinigt, den übrigen Autoren zumindest ein Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis vorgeworfen. Zurück gezogen oder korrigiert ist das Paper aber bis heute nicht, und es wird auch weiterhin zitiert. Verständlich aber, dass wir auch diese Zitierungen in der Autorenwertung nicht berücksichtigten.

Leichte, aber wirklich nur ganz leichte Kopfschmerzen machte uns auch die Nummer eins der "Köpfe"-Liste, Michael Mihatsch aus Basel: Der ist zwar ausgewiesener Nephro-Pathologe, sammelte aber die meisten Zitierungen mit der Entwicklung von Biochips zur Diagnose aller möglichen Tumoren. Unter die meistzitierten "Nieren- und Hochdruckartikel" konnten wir sie daher nicht aufnehmen. In der Autorenwertung dagegen mussten wir sie ihm anrechnen.

Für Zitationsanalysen also bisweilen kein einfaches Volk, die "Nieren- und Hochdruckforscher".



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Letzte Änderungen: 08.09.2004