Editorial

Zwergenaufstand
Produktübersicht: Durchflusszytometer und Zellsortierer

Alle Produkte im Überblick pdficon

p_17_04

Kleine, auf mikrofluidischen Chips basierende Durchflusszytometer erobern zunehmend die Labore von Biologen.

Noch bestimmen klassische, mit Druckluft und Hüllflüssigkeit betriebene ­Fluoreszenzaktivierte Durchflusszytometer und Zellsortierer (FACS-Geräte) das Bild in den Zytometrie-Serviceeinheiten von Forschungs- oder Diagnostik-Laboren. Daran dürfte sich auch in absehbarer Zeit nicht viel ändern: Mit Sortiergeschwindigkeiten bis zu 70.000 Zellen pro Sekunde und Sortier-Reinheiten nahe hundert Prozent halten sie die zunehmende Konkurrenz aus kleinen, auf Mikrofluidik-Chips basierenden Geräten noch immer locker in Schach.

Dennoch erinnern die großen, kompliziert zu bedienenden Kisten ein bißchen an Dinosaurier, die nicht bemerken, dass zwischen ihren Füßen bereits winzige Säugetiere herumwuseln, die nur darauf warten, bei der nächsten Gelegenheit ihren Platz einzunehmen. An neuen Konzepten und Prototypen für µFACS-Durchflusszytometer sowie Zellsortierer arbeiten erstaunlich viele Bioingenieure und -wissenschaftler. Und immer öfter schaffen diese auch tatsächlich den Sprung ins Labor.

Clevere Lösungsansätze

Jüngstes Beispiel ist der Wolf Cell Sorter der kalifornischen Firma Nanocellect, der aus der Doktorarbeit des Nanocellect-Gründers und jetzigen CTO, Sung Hwan Cho aus dem Jahr 2010 hervorging. Im Schwäbischen würde man Cho als echtes Cleverle bezeichnen.

Herzstück des würfelförmigen, nicht ganz vierzig mal vierzig Zentimeter großen Wolf-Sorters, ist ein raffiniert konzipierter Einmal-Mikrofluidikchip. Dieser enthält einen zentralen Mikrokanal, der an einem Ende mit einem Anschluss für die Hüllflüssigkeit sowie einem Probeneinlass versehen ist. Nach einem kurzen geraden Stück teilt er sich in drei Kanäle auf, die jeweils in ein kleines Reservoir münden: In den beiden Kanälen links und rechts landen die sortierten Zellen, im Mittleren sammelt sich der Zellschrott.

Das ist noch ziemlich unspektakulär: Wie in vielen anderen mikrofluidischen Zellsortierern wandern die fluoreszenzmarkierten Zellen in Reih und Glied in dem winzigen Hüllstrom mit, der durch den Mikrokanal fließt.

In „konventionellen“ µFACS-Chips kreuzen sie kurz vor dem Sortierabzweig meist einen punktförmigen Laserstrahl, der wie bei klassischen FACS-Geräten senkrecht zur Achse des Mikrokanals verläuft. Die von den angeregten Zellen ausgehende Fluoreszenz fangen verschiedene Photomultiplierröhren (PMT) ein, die sie in elektrische Signale umwandeln.

An dieser Stelle hat Cho seinen ersten Kniff eingebaut. Er beschichtete die Wandungen der winzigen Kanäle auf ganzer Länge mit amorphem Teflon. So werden sie zu optischen Wellenleitern, die Licht ähnlich wie ein Glasfaserkabel übertragen. Das ist äußerst praktisch: Fließt das Licht eines Lasers durch die Kanäle, so kann es an jedem beliebigen Punkt fluoreszenzmarkierte Zellen anregen – und natürlich lässt sich auch die von den Zellen ausgehende Fluoreszenz an jedem beliebigen Punkt innerhalb der Kanäle detektieren.

Cho nutzt dies für einen äußerst trickreichen Detektions- und Sortiermechanismus, der die fluoreszenzmarkierten Zellen an der Gabelung des zentralen Mikrokanals in die richtigen Auffangkammern bugsiert. Kurz vor der Verzweigung und jeweils am Anfang der beiden Sortierkanäle installierte er eine Strichcode-artige Maske, welche die Fluoreszenz-Signale der vorbeirauschenden Zellen in kurze, wellenförmige digitale Stromimpulse umwandelt. Cho war natürlich so clever, vor der Gabelung einen anderen Strichcode zu verwenden als in den Sortierkanälen. Da sich die entsprechenden Stromimpulse unterscheiden, genügt ein einziger Photomultiplier (PMT), um sie zu detektieren und auseinanderzuhalten.

Der kalifornische Entwickler beließ es jedoch nicht bei diesem sogenannten Space-Time-Coding (STC). Um auch verschiedene Fluoreszenzfarben mit nur einem Photomultiplier registrieren zu können, erweiterte er die Strichcode-Maske mit einem zusätzlichen Farbfilter, der die STC-Signale in charakteristische Colour-Space-Time-kodierte (COST)-Signale überführt.

Optische Maske

Empfängt der Photomultiplier das COST-Signal einer Zelle, die gerade die Maske vor der Gabelung passiert hat, sendet er einen kurzen elektrischen Impuls an einen piezoelektrischen Kristall (Piezoaktor). Der kurz vor dem Sortierabzweig an der Wandung des Mikrokanals angebrachte Piezoaktor verformt sich hierdurch und löst in Sekundenbruchteilen eine winzige Welle aus, die die fluoreszenzmarkierte Zelle in den Sortierkanal schubst. Passiert sie auf ihrem weiteren Weg die Maske des Sortierkanals, löst sie ein zusätzliches Verifikations-Signal aus, das zur Feineinstellung der Sortier-Parameter dient.

Der Wolf-Sorter kann derzeit fünf Parameter detektieren: drei Farben sowie Vorwärts- und Seitwärtsstreuung. Die Sortiergeschwindigkeit liegt bei etwas mehr als 300 Zellen pro Sekunde. Verglichen mit einem High-End-Sortierer, der bis zu 49 Farben registriert und auf 70.000 Sortierereignisse pro Sekunde kommt, ist dies natürlich sehr bescheiden. Für die 49 Farben sind aber auch 49 PMTs nötig, und in den wenigsten Fällen sind zehntausende Sortier-Events pro Sekunde in Wald- und Wiesen-Laboren notwendig.

Ein weiterer Zellsortier-Winzling, der gerade dabei ist flügge zu werden, stammt aus dem Dunstkreis des Bioingenieurs Mehmet Toner vom Massachusetts General Hospital in Boston. Toner entwickelte zusammen mit dem Krebsforscher Daniel Haber und Kollegen von der Harvard Medical School den CTC-iChip, der zirkulierende Tumorzellen (CTCs) aus Blutproben aussortiert (PNAS, 114: 1123).

CTCs werden von invasiven Tumoren ins Blut ausgeschüttet und können zu Metastasen führen. Mediziner analysieren sie, um die Entwicklung bestehender Tumoren zu verfolgen oder gerade entstehende aufzuspüren. Hierzu reichern sie die CTCs zunächst an, färben sie mit Antikörpern und untersuchen sie im Mikroskop.

Da sowohl die Färberei als auch die Mikroskopie der CTCs ein sehr mühsames Geschäft ist, entwickelten Toner und Haber ein neues Analyseverfahren. Bei diesem verknüpften die Forscher, die Sortierung der CTCs mit dem CTC-iChip, mit einer digitalen RNA-PCR, die spezifische Transkripte der CTCs amplifiziert.

Im Gegensatz zu µFACS-Chips funktioniert Toners CTC-iChip ohne Laser und Fluoreszenzanregung. Stattdessen sind bei ihm drei gängige mikrofluidische Sortierverfahren hintereinander geschaltet: hydrodynamische Sortierung, inertiale Fokussierung und Magnetophorese.

Im hydrodynamischen Sortierabschnitt strömt das Blut durch ein Hindernisfeld aus dutzenden Minipfosten. Rote Blutzellen, Blutplättchen und andere kleine Blutkomponenten marschieren schnurstracks zwischen den Pfosten hindurch und werden aussortiert.

Die größeren weißen Blutzellen, die mit magnetischen Antikörpern markiert sind, werden wie die CTCs von den Mini-Pollern stärker abgelenkt und nehmen eine andere Route. Diese führt beide zur inertialen Fokussierungszone. In dieser strömen die Zellen durch spiralförmig gewundene Mikrokanäle, in denen sie sich in Reih und Glied hintereinander anordnen.

Im Gänsemarsch gelangen sie zur Magnetophoresekammer, an deren Ende zwei Ausgänge warten: einer für die weißen Blutzellen, der andere für die CTCs. Ein Magnetfeld befördert die magnetischen weißen Blutkörperchen an dieser Stelle ins Nirwana. Die CTCs nehmen den anderen Ausgang und landen in der RNA-Extraktions-Einheit. Die isolierte mRNA wird anschließend in cDNA umgeschrieben, die in kleine Lipid-Tröpfchen verpackt wird. Die Detektion erfolgt schließlich mit der digitalen Tröpfchen-PCR (ddPCR).

Toner und Haber testeten die CTC-iCHIP-ddPCR-Technik bereits an Patienten, die an Leberkrebs erkrankt waren oder ein hohes Risiko trugen, diesen zu entwickeln. Ihren Ergebnissen zufolge detektiert ihr Verfahren die in Frage kommenden CTCs sehr präzise. Insbesondere in Kombina­tion mit anderen CTC-Markern, so die Forscher, erhöhe es die Treffsicherheit in Leberkrebs-Screenings.

Lange dürfte es nicht mehr dauern, bis auch Toners CTC-iChip in einem kommerziellen Zellsortierer landet. Und in den Werkstätten vieler Bioingenieure liegen weitere Prototypen mikrofluidischer Durchflusszytometer und Sortierer in Lauerstellung. Der Aufstand der Zwerge gegen die etablierten FACS-Dinosaurier dürfte also nicht so schnell in sich zusammenbrechen.

Alle Produkte im Überblick pdficon


(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 04/2017, Stand: März 2017, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 29.03.2017