Editorial

Spektraler Entmischer
Produktübersicht: Einzelzellanalyse-Systeme

Alle Produkte im Überblick pdficon

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Vielleicht sollte Donald Trump mal jemand verklickern, wer in vielen amerikanischen ­Laboren eigentlich die Forschung macht. Die Gruppe des aus China stammenden Lidong Qin (v.m.) konstruierte an der Houston Methodist Klinik in Texas eine Pipettenspitze für die Isolierung von Einzelzellen. Foto: Gruppe Lidong Qin

Die Techniken zur ­Isolation einzelner Zellen sind sehr vielfältig – Stark im Trend liegen Mikrofluidik-basierte Methoden.

Mehr und mehr dämmert es Biowissenschaftlern, dass es viel zu simpel ist, alle Individuen einer Zellpopulation über einen Kamm zu scheren und davon auszugehen, dass sie mehr oder weniger identisch sind. So können sich zum Beispiel die einzelnen Zellen eines Tumors sehr deutlich voneinander unterscheiden. Das Gleiche gilt für die Zellen eines Embryos oder die Nervenzellen des Gehirns, die sehr heterogen sind und je nach Entwicklungsstadium unterschiedliche Gene exprimieren. Auch die Reaktion einer Makrophagen-Population auf ein pathogenes Bakterium muss nicht in jeder Fresszelle gleich aussehen. Und selbst die Individuen pathogener Bakterienpopulationen können in feinen Details variieren, um zum Beispiel die Immunantwort der befallenen Zellen zu manipulieren.

In vielen Fällen ist es deshalb weitaus sinnvoller, Einzelzellen zu isolieren und zu analysieren, statt einen bunt zusammengewürfelten Zellhaufen. Und wie kommt der Experimentator an einzelne Zellen heran? Mittlerweile kann er hierfür auf ein buntes Methoden-Potpourri zurückgreifen, das von altbewährten, teilweise erstaunlich simplen Techniken, bis zu ausgefeilten Lab-on-a-Chip Lösungen reicht.

Verdünnen bis zur letzten Zelle

Zu den klassischen Verfahren zählt zum Beispiel die seit Jahrzehnten in der Antikörperproduktion eingesetzte limitierte Verdünnung. Eine Zellsuspension wird solange verdünnt, bis theoretisch nur noch eine Zelle in einem Aliquot übrig ist. Im simpelsten Fall lässt sie sich mit einer Mundpipette, die zum Beispiel aus einer feinen Glaskapillare hergestellt wird, aus der Flüssigkeit heraussaugen, meist übernehmen dies jedoch Pipettierroboter.

Auch die Fluoreszenzaktivierte Zellsortierung mit Durchflusszytometern nutzen Forscher schon seit über vierzig Jahren, um Myriaden von Zellen im Millisekundentakt zu vereinzeln und zu sortieren. Da FACS-Geräte aber regelmäßig in den Laborjournal-Produktübersichten zu Durchflusszytometern auftauchen, haben wir sie in dieser Übersicht zu Einzelzellanalyse-Systemen nicht berücksichtigt.

Die in den neunziger Jahren entwickelten Laser-Mikrodissektions-Verfahren verwenden Forscher überwiegend, um aus festen Geweben, etwa Formalin-fixierten Gewebeproben oder Gefrierschnitten von Pflanzen, einzelne Zellen gezielt mit einem Laserstrahl herauszuschneiden. Hierzu beobachten sie die in Frage kommenden Gewebeareale unter einem Mikroskop, markieren die Zelle, die der Laser abtragen soll auf dem Display des Mikroskops, und lenken den Laserstrahl schließlich gezielt auf den Umriss der Zelle.

Wie die ausgeschnittene Zelle aus dem Zellverband entnommen wird, hängt von der jeweiligen Technik ab. So wird sie zum Beispiel beim Laser Mikrodissektion Druckkatapult-Verfahren (LMPC), das Karin und Raimund Schütze Anfang der neunziger Jahre mit ihrer Garagenfirma P.A.L.M. in einem Reihenhaus im bayrischen Wolfratshausen entwickelten, durch einen kurzen Laserpuls aus dem Gewebe herauskatapultiert.

Mikromanipulation mit Joy-Stick

Nicht ganz so rabiat agieren Mikroskop-gesteuerte Mikromanipulatoren, die zumeist hauchdünne Glaskapillaren einsetzen, um einzelne Zellen aus Zellsuspensionen herauszupicken. Hierzu ist in der Regel ein Joy-Stick auf dem Arbeitstisch eines inversen Mikroskops montiert, mit dem der Experimentator die Kapillare nanometergenau positionieren kann, um einzelne Zellen anzusaugen.

Diese Methode ist in der reproduktiven Medizin weit verbreitet. Das manuelle Gefummel setzt jedoch einiges an Geschick voraus und für den Hochdurchsatz sind Mikromanipulatoren denkbar ungeeignet.

Zu diesen traditionellen Methoden gesellten sich in den letzten Jahren zunehmend auch Mikrofluidik-basierte Isolationstechniken. Nach einer Umfrage, die Peter Koltays Gruppe vom Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Uni Freiburg 2014 durchführte, isolieren inzwischen gut zwölf Prozent der deutschen Biowissenschaftler ihre Einzellzellen mit mikrofluidischen Verfahren (Int. J. Mol. Sci., 16, 16897-919).

Die Herstellung und Implementierung mikrofluidischer Chips zur Isolation von Einzelzellen mag kompliziert und langwierig sein – dennoch fußen sie zumeist auf sehr einfachen physikalischen Prinzipien. Eine häufig in diesen Geräten anzutreffende Mikrofluidik-Technik nutzt zum Beispiel hydrodynamische Zellfallen für die Zellisolation.

Diese Fallen bestehen meist aus winzigen Einbuchtungen oder Kammern, die an ausgesuchten Stellen in den Mikrokanälen positioniert sind, durch die die Zellen strömen. Der Trick dabei ist, dass jeweils nur eine Zelle in die Falle hineinpasst. Steckt sie in dieser fest, wird der winzige Flüssigkeitsstrom um die Falle herum geleitet. Die eingefangene Zelle wird anschließend aus der Falle befreit und gelangt schließlich in ein entsprechendes Auffanggefäß.

Hydrodynamische Zellfallen finden sich in verschiedensten Variationen in teilweise sündhaft teuren, topmodernen und Hochdurchsatz-fähigen Einzelzellanalyse-Systemen. Sie lassen sich aber auch mit etwas Geschick in simple Mikropipetten integrieren, um diese auf die Isolation von Einzelzellen umzurüsten.

Die Gruppe des Krebsforschers Lidong Qin von der Houston Methodist Klinik in Texas, stellte bereits 2014 eine manuelle Pipette für die Isolierung von Einzelzellen vor, deren Handhabung aber noch etwas kompliziert war. Qins Mitarbeiter feilten jedoch emsig am Handling der Pipette und präsentierten im Dezember 2016 eine verbesserte Version (Lab Chip 16: 4742).

Das Herzstück ihrer Konstruktion ist eine Einzelzell-Pipetten-(SCP)-Spitze aus Polydimethylsiloxan (PDMS). In die knapp fünf Zentimeter lange SCP-Spitze ist ein etwa vierzig Mikrometer breiter Kanal eingearbeitet, der sich am Ende Ypsilon-förmig verzweigt und in zwei jeweils fünf Millimeter lange Anschlussröhren mit einem Durchmesser von anderthalb Millimeter mündet. Ein Ende des Ypsilons dient als Unterdruck-, das andere als Überdruck-Kanal. Den Unter- oder Überdruck erzeugt eine Mikropipette, die über zwei Pipettenspitzen in den beiden Anschlüssen, mit der SCP-Spitze verbunden wird. Die Spitze im Unterdruckkanal ist vor der Einzelzellisolierung leer, die Spitze im Überdruckkanal ist mit hundert Mikroliter Puffer gefüllt. Im vorderen, noch unverzweigten Teil des Mikrokanals ist ein winziger Haken eingebaut, an dem eine der einströmenden Zellen hängen bleibt.

Spitze mit Haken

Um Zellen aus einer Suspension anzusaugen, hält man zunächst den Bedienknopf der Pipette gedrückt und verbindet sie mit der Spitze im Unterdruckkanal. Lässt man den Knopf los, so saugt der Unterdruck die Zellen in die SPC-Spitze. Eine einzelne Zelle bleibt hierbei solange am Haken der Zellfalle hängen, wie der Unterdruck besteht. Zellen unterhalb des Hakens entfernt man indem man die SPC-Spitze in eine Zell-freie Pufferlösung eintaucht und auf und ab bewegt. Zellen oberhalb des Hakens zieht der Unterdruck in die Anschlussöffnung der SPC-Spitze.

Um die Zelle aus ihrer Falle zu befreien, setzt man die Mikropipette auf die Spitze im Überdruckkanal und drückt erneut den Pipettenknopf. Der hieraus resultierende Überdruck schiebt die in einem winzigen Puffertropfen gelöste Zelle schließlich aus der SPC-Spitze heraus.

Qins Mitarbeiter isolierten mit der Haken-SPC-Spitze einzelne Zellen aus verschiedenen Zellsuspensionen. Noch raffinierter als die Hakenspitze, und auch für verdünnte Zellsuspensionen geeignet, ist eine zweite Variante der SPC-Spitze, in welche die Gruppe eine S-förmige Schleife im unteren Teil des Mikrokanals einfügte. Als hydrodynamische Falle dient eine kleine Ausbuchtung an einer Kanalseite mit etwa dreißig Mikrometern Durchmesser. Gerade groß genug für eine einzige Zelle, die bereitwillig in die Falle geht, weil die Strömungsgeschwindigkeit an dieser Stelle etwas reduziert ist und sie hierdurch in die Vertiefung rutscht. Qins Team setzte die isolierten Einzelzellen für die RNA-Sequenzierung ein und sieht hierin auch das größte Potenzial der Einzelzell-Pipette.

Wenn Sie die Spitze nachbauen wollen, finden Sie in Qins Paper ein ausführliches Herstellungsprotokoll. Der Nachbau sollte kein allzu großes Hexenwerk sein. Größere Probleme bereitet meist die fehlerfreie Amplifikation der isolierten Einzelzell-RNA und ihre Aufbereitung für die Sequenzierung – aber das ist noch mal ein ganz anderes Kapitel bei der Einzelzell-Analyse.

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(Erstveröffentlichung: H. Zähringer, Laborjournal 03/2017, Stand: Februar 2017, alle Angaben ohne Gewähr)




Letzte Änderungen: 06.03.2017