Editorial

2D-Elektrophorese

Noch mehr Klecks mit Sephadex

von Hubert Rehm


Noch mehr Signale, noch viel mehr Kleckse – Proteinbiochemiker sind gierige Menschen und können einfach nicht genug kriegen. Kollege Hubert Rehm erbarmt sich und zeigt einige neue Kniffe, mit denen die 2D-Elektrophorese die meisten Kleckse liefert.

Die 2D-Elektrophorese ist bekanntlich eine schöne Methode, vor allem dann, wenn man für die 1. Dimension immobilisierte pH-Gradienten (IPG) verwendet. Aber wie es nun einmal so ist im Leben: Schönheit ist vergänglich. Hat man sie lang genug gesehen, hätte man gern noch ne schönere Schönheit im Gelbett oder anderswo. So auch bei der 2D-Elektrophorese. Eine Methode von wunderbarer Schönheit: Man kann damit, sagen wir einen Extrakt aus Mausleber in 1000 Kleckse auftrennen. Aber was hilft einem das, wenn Mausleber mindestens 100 000 verschiedene Proteine enthält, man also 100 000 Kleckse bräuchte? Ein weiteres Problem: Viele Proteine, dummerweise gerade die interessantesten, kommen in so kleinen Mengen vor, daß man riesige Mengen Extrakt aufs Gel laden müßte, um auch nur Spuren nachzuweisen. Der Ausweg?




Wozu gibt es Doktoranden?

Die Trennschärfe von 2D-Gelen läßt sich verbessern, indem man in der 1. Dimension nicht von pH 3 bis 10 isoelektrisch fokussiert, sondern mehrere Gele fährt mit jeweils engeren pH-Bereichen. Beispielsweise pH 4-5, pH 5-6, und so weiter. Das macht natürlich mehr Arbeit, aber ich sage immer: Wozu gibt es Doktoranden? Ein größeres Problem bei dieser Vorgehensweise ist die Tatsache, daß Proteine, deren pI außerhalb des pH-Bereichs des Gels liegt, zu den Elektroden wandern und dort ausfallen. Das macht unschöne Ränder. Zudem werden bei der Präzipitation auch Proteine mitgerissen, die in den pH-Bereich gehören. Es wäre besser, die Extrakte nach pH-Bereichen vorzufraktionieren.

Hierzu gibt es einige Methoden. Die Freiflußelektrophorese zum Beispiel (beschrieben in Laborjournal 10/2002) oder die Vielkammer-IEF nach Herbert und Righetti (siehe Laborjournal 11/2002) eignen sich zum Vorfraktionieren. Beide Methoden verlangen jedoch teure Apparate und das in einer Zeit, in der der Forscher immer ärmer wird. Was tun?

Die Großmeisterin der isoelektrischen Fokussierung, Angelika Görg, hat sich dazu etwas einfallen lassen (Proteomics 2002, 2, 1652-1657). Sie vorfraktioniert ihre Proben mit einer herkömmlichen isoelektrischen Fokussierung in einer Flachbett-Kammer. Zur Stabilisierung enthält die Kammer das hydrophile Dextran Sephadex.


Ärgerabschußliste und unbequeme Weisheiten

Die 2D-Elektrophorese läuft dann folgendermaßen ab: Äquilibrieren von Sephadex in Fokussierungslösung mit Pharmalyten pH 3-10, dann Zugabe der Probe, dann Guss ins Flachbett, dann Fokussieren für drei Stunden. Damit das Sephadex nicht austrocknet, wird es mit Silikonöl überschichtet. Nach der Fokussierung identifizeren Sie den gewünschten pH-Bereich mit einer Oberflächenelektrode, oder, falls Sie keine haben, kratzen Sie ein bißchen Sephadex heraus, suspendieren es in zwei Milliliter Wasser und messen den pH mit einer normalen Mikroelektrode.

Den gewünschten pH-Bereich kratzen Sie mit dem Spatel heraus und tragen das Sephadex auf vorhydrierte IPG-Streifen mit dem gleichen pH-Bereich auf. Weder das Sephadex noch die Pharmalyte stören die zweite IPG isoelektrische Fokussierung. Die Details finden Sie unter www.weihenstephan.de/blm/deg. Dort findet sich auch eine Ärgerabschußliste, die kostenfrei unbequeme Weisheiten anbietet, wie den Lysepuffer immer frisch anzusetzen, harnstoffhaltige Puffer nicht über 37 °C zu erhitzen und das DTT mit Iodacetamid wieder zu entfernen. Für sehr hydrophobe Proteine oder Proteine, die viele Disulfidbrücken enthalten, wird empfohlen, statt DTT/Iodacetamid Tributylphosphin zu verwenden. Letzteres ist allerdings eine recht unangenehme Verbindung: flüchtig, giftig und leicht entflammbar.


Mitreißende Elektroden

Das Schöne am Vorfraktionieren ist: Danach erhalten Sie in ihrem pH-Bereich nicht nur eine bessere Trennung, sondern auch wesentlich mehr Kleckse, als wenn sie eine entsprechende Menge roher Probe direkt auf das IPG-Gel aufgetragen hätten. Die Ursache: Tragen sie die rohe Probe auf, präzipitieren an den Elektroden die Proteine, deren isoelektrische Punkte außerhalb des pH-Bereichs des Gels liegen. Das präzipitierende Protein reißt auch Proteine mit, die eigentlich ins Gel gehörten. Das ist vermutlich auch die Ursache, dass der Spruch "viel hilft viel" bei IPG-Gelen versagt. Tragen Sie mehr als ein Milligramm Protein auf, sehen Sie nicht unbedingt mehr Kleckse, sondern eher weniger. Nachteile hat auch die Vorfraktionierung mit Sephadex: Die Pharmalyte sind nicht an die Matrix (Sephadex) fixiert, also kommt es zu den alten Schwierigkeiten: Elektroendosmose, instabiler pH-Gradient etc.. Bei längerer Fokussierungszeit wandern zum Beispiel basische Proteine in die Kathode. Des weiteren ist es nicht einfach, immer die gleiche homogene Suspension von Sephadex herzustellen. Schon gar nicht, wenn Sie die Suspension in einem Glaserlenmeyer ansetzen: Die Kügelchen kleben hartnäckig an Glasoberflächen. Besser Sie nehmen 50-Milliliter-Falcontubes. Aber auch damit dürfte die Reproduzierbarkeit der Gele zwischen einzelnen Labors nicht die beste sein.


Unterschätzte Proteasen

Apropos Reproduzierbarkeit. Die Tätigkeit von Proteasen in den üblichen Lyse- beziehungsweise Quellpuffern für die isoelektrische Fokussierung wird weithin unterschätzt. Es ist zwar richtig, daß 8M Harnstoff und DTT Proteine denaturieren, aber eben nicht alle Proteine und vor allem nicht alle Proteasen. Im Endeffekt liegen dann viele denaturierte Proteine vor und einige nichtdenaturierte Proteasen. Erstere sind gute Substrate für Letztere – oder warum meinen sie, kochen wir unser Fleisch? Die Proteasen können beim Quellen des IPG-Streifens, was ja bei 20°C Stunden dauern kann, ihre zersetzende Tätigkeit in aller Ruhe ausüben und tun es auch. Das Gegenmittel? Geben Sie Protease-Inhibitoren in den Quellpuffer.

Noch ein Wort zur Protein-Solubilisierung. Da für die isoelektrische Fokussierung die Ladung der Proteine erhalten bleiben muß, kann man nicht mit SDS solubilisieren. Man verwendet vielmehr Harnstoff und zwar in höchstmöglichen Konzentrationen (8-9.5 M). Harnstoff bricht die Wasserstoffbindungen der Proteine und denaturiert sie oder sollte sie denaturieren. Es tut dies aber nicht bei allen Proteinen: Bei nukleären Proteinen gibt es Probleme, bei Tubulin, bei Fibronectin und natürlich bei integralen Membranproteinen. Bei solchen Problemen soll ein Zusatz von Thioharnstoff wahre Wunder wirken. Man gibt daher 2M Thioharnstoff zu 6M Harnstoff.

Nun fragt sich der Laie, warum nicht gleich den Harnstoff durch Thioharnstoff ersetzen? Die Antwort ist: Thioharnstoff alleine geht schlecht in Lösung. Man braucht den Harnstoff, um den Thioharnstoff zu solubilisieren, der wiederum die Problemproteine solubilisiert.


Nicht das Gelbe vom Ei

Nun ist – Sie haben es geahnt – auch der Thioharnstoff nicht das Gelbe vom Ei. Thioharnstoff hindert SDS daran, an Proteine zu binden. Das spielt zwar für die isoelektrische Fokussierung keine Rolle, wohl aber hinterher, in der Vorbereitung zum 2. Schritt der SDS-Gelelektrophorese. Dafür müssen die Proteine im IPG-Gel mit SDS äquilibriert werden und das geht nur, wenn der Thioharnstoff vollständig aus dem IPG-Gel ausgewaschen wird.

Tut man es nicht, werden die Proteine nur ungenügend mit SDS beladen. Die ziehen dann im SDS-Gel einen Kometenschweif hinter sich her. Leider lässt sich dem Problem nicht einfach durch ausgiebiges Waschen beikommen, denn während des Waschens diffundieren die Banden im IPG-Gel auseinander. Waschen oder nicht Waschen: Die Auflösung läßt auf jeden Fall zu wünschen übrig.


Waschen oder nicht Waschen?

Musante et al. (J. Chromatography B 705, 351-356) haben sich diesem Problem gewidmet. Sie empfehlen, die Thioharnstoff-Konzentration auf 0.5 M zu verringern. Das gäbe immer noch eine wesentlich bessere Solubilisierung im Vergleich zu Harnstoff alleine und verschlechtere die Auflösung nur minimal.

Eine andere Möglichkeit wäre, das IPG-Gel nach der Fokussierung erst kurz mit Wasser und dann ausgiebig mit 5 % TCA zu waschen. Ich stelle mir vor: Die Proteine fallen aus und diffundieren nicht mehr. Das TCA können Sie mit Wasser wieder wegwaschen und dann mit SDS equilibrieren. Ob das geht? Probieren Sie es aus.

Man glaubt ja gar nicht, was man alles falsch machen kann im Leben – und die Biologie beschäftigt sich schließlich mit dem Leben, oder?


Letzte Änderungen: 08.09.2004