Editorial

Farbe ins Labor - Sequenzieren Teil II

von Cornel Mülhardt


Auch Klone müssen Farbe bekennen. Radioaktivität gehört in die Annalen der Gechichte.

Sie erinnern sich, wir hatten es das letzte Mal von der radioaktiven Sequenzierung. Mir scheint, dass diese mittlerweile definitiv in die Annalen der Geschichte gehört - zumindest hat sich seit dem Erscheinen der letzten Ausgabe niemand dazu bekannt. Sollten Sie noch schwarze Striche auf Röntgenfilmen auswerten, dürfen Sie sich hiermit als Teil einer aussterbenden Rasse ansehen. Man muss dem nicht wirklich nachweinen, denn es war ein mühseliges Geschäft und dank der Radioaktivität ein schmutziges dazu. Ich habe übrigens verschwiegen, dass es durchaus auch Anläufe gab, die ungeliebte Radioaktivität zu ersetzen, indem man beispielsweise die DNA-Banden im Gel durch Silberfärbung oder über Chemilumineszenz nachwies, aber auch das ist weitgehend Geschichte. Die Kits werden zwar noch angeboten (und somit höchstwahrscheinlich vereinzelt auch gekauft), doch hat der große Sequenzierwettlauf der letzten Jahre gezeigt, dass damit kein Blumentopf zu gewinnen ist. Der Aufwand an Arbeitszeit ist viel zu groß, als dass sich der aufstrebende Jungforscher mit seinen hochtrabenden Plänen noch damit abgeben würde.

Kleine Änderung - großer Fortschritt

Den großen Fortschritt hat eine ziemlich kleine Änderung gebracht. Statt die DNA radioaktiv zu markieren - am Primer, mittendrin oder am Didesoxynukleotid -, hatte man die Idee, das Didesoxynukleotid mit einem fluoreszierenden Farbstoff zu koppeln. Durch einen passenden Laser lässt sich dieser Farbstoff anregen und mittels geeignetem Detektor das Vorbeiwandern eines markierten DNA-Fragments registrieren. Erstaunlicherweise hatte es sich damit schon. Alle anderen Änderungen der letzten Jahre waren im Großen und Ganzen nichts als Details, die einem das Leben leichter machen. So hat man die vier verschiedenen Didesoxynukleotide mit vier verschiedenen Farbstoffen gekoppelt, was die Zahl der notwendigen Reaktionen von vier auf eine je Ansatz reduziert. Wahnsinnig praktisch! Doch ohne Nachteil ist die Methode nicht: Die Farbstoffe unterscheiden sich stark in ihrer Größe und beeinflussen dementsprechend das Laufverhalten vor allem kleiner Fragmente. Da kürzere Fragmente nun nicht mehr unbedingt als Erste den Laser passieren, müssen die Rohdaten nachträglich mit dem Rechner korrigiert werden, um die korrekte Sequenz zu erhalten - was manchmal nicht fehlerfrei funktioniert. Wenn Sie sich etwas intensiver damit auseinandersetzen, werden Sie übrigens feststellen, dass sich die Anbieter von Sequenzierern in ihren Markierungs- (und Detektions-) Methoden leicht unterscheiden. Das hat - wen wundert's bei einem so heiß umkämpften Markt - patentrechtliche Gründe.



Das Nervtötendste (und auch handwerklich gesehen Schwierigste) an der Sequenzierung war bislang immer das Gelegießen. Deswegen findet man mittlerweile hauptsächlich Sequenzierer, die mit Kapillaren bestückt sind. Statt mit klassischem Polyacrylamid werden diese mit einem geheimnisvollen dickflüssigen Polymer gefüllt, das ähnliche elektrophoretische Eigenschaften besitzt. Leider ist das Polymer bei Raumtemperatur nur wenige Tage stabil, doch immerhin tauscht das Gerät den Kapillarinhalt ganz alleine aus, so dass es ausreicht, die fertigen Sequenzreaktionen in die Maschine zu stellen, ihr zu sagen, worum es sich handelt - und dann: Beam me up, Scotty! Weil jeweils nur eine Sequenzreaktion in die Kapillare passt und ein Lauf, je nach Bedingungen, ein bis anderthalb Stunden dauert, erkauft man sich diese Bequemlichkeit mit einem deutlich geringeren Durchsatz. Die Hersteller haben bereits darauf reagiert und bieten, gegen ein klitzekleines bisschen sehr viel mehr Geld, Geräte mit 16 oder 96 Kapillaren an. Wer sich das leisten kann, der kann sich gleich noch einen Roboter danebenstellen, der ihm auch die DNA-Präparation einschließlich Sequenzierreaktion abnimmt. Er sollte nur aufpassen, dass man ihm nicht anschließend, aus Kosten- und Effizienzgründen, die Stelle wegrationalisiert.


Vorteile mit Farbe

Da die Farbstoffe im Gegensatz zu radioaktiven Nukliden stabil sind, eignet sich die Methode gleichermaßen für Viel- und Wenigsequenzierer. Und weil das Zeug weder strahlt noch toxisch ist (zumindest nicht mehr als all die anderen Sauereien, mit denen man im Labor hantiert), kann man auf spezielle Arbeitsbereiche verzichten.

Der Wermutstropfen ist der Preis, den man für den Fortschritt zahlen darf. Während man Systeme zur radioaktiven Sequenzierung für ca. 2-5.000 DM bekommt, vom Hausschreiner seines Vertrauens unter Umständen sogar noch billiger, ist man bei den Farbstoffen auf einen Sequenzierer angewiesen, und der ist nicht billig - ab ca. 100.000 DM sind Sie dabei. Zuviel für ein armseliges kleines Labor, aber für größere Institute mittlerweile nicht mehr unerschwinglich. Die Meisten von Ihnen werden daher irgendeine Möglichkeit haben, mit einem netten Augenklimpern ihre Sequenzreaktionen analysiert zu bekommen. Als Alternative bieten sich kleinere Firmen an, die für einen erschwinglichen Obulus die Arbeit übernehmen. Für Wenigsequenzierer ist dies preislich eine interessante Variante, weil man sich einerseits größere Investitionen spart, und andererseits - wie bei anderen Methoden auch - die Versagerrate erfahrungsgemäß umso größer ist, je weniger Praxis man besitzt. Anders ausgedrückt: Lassen Sie sequenzieren und sparen Sie sich viel Ärger.


Paradies mit Tücken

Das Paradies auf Erden ist damit in greifbare Nähe gerückt - sollte man zumindest meinen. Seltsamerweise hat auch die semi-vollautomatische Sequenzierung ihre Tücken. So ist die Qualität der verwendeten Template-DNA noch immer entscheidend für das Ergebnis, und obwohl die Sequenzierreaktion heutzutage von außen so aussieht wie eine ganz normale PCR, ist es keineswegs so, dass man mit geringsten Mengen an Material auskommen würde. Ganz im Gegenteil. Vor etlichen Jahren wollte ich herausbekommen, welches wohl die ideale Templatemenge ist - und gab bei ungefähr 3 µg Plasmid-DNA entnervt auf, weil die Signale immer schöner wurden, die benötigte Materialmenge mir aber nicht mehr ganz geheuer erschien.

Einer der wichtigsten Schritte ist übrigens die Reinigung der Fragmente nach der Sequenzierreaktion. Alle nicht eingebauten markierten Nukleotide schwimmen zu diesem Zeitpunkt natürlich immer noch in Ihrem Tube herum und gäben bombige Störsignale, würde man den Ansatz direkt in die Maschine stellen. Für die Reinigung gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, über die Sie der Beipackzettel Ihres Sequenzierkits ausführlich aufklärt. Am einfachsten und schmutzigsten ist die simple Ethanolpräzipitation. Mich hat bislang am meisten die Gelchromatographie im Miniformat überzeugt - in den einschlägigen Katalogen unter der Bezeichnung spin columns" zu finden, sofern man die Arbeit scheut, die Dinger selbst zu basteln. Die Gelchromatographie liefert in der Regel sehr saubere Fragmente, nur dauert mir das Eindampfen des Ansatzes zu lange, insbesondere, wenn die Speedvac wieder mal von anderen eifrigen Sequenzierern besetzt ist.


Für Dumme und Faule

Ungeachtet der kleinen Schwierigkeiten: Wir haben heute beste Voraussetzungen, dass auch der Dümmste (bzw. Faulste) in Zukunft seine neuesten Klone durchsequenziert, bevor er sie an seinen arglosen Kollegen weiterreicht... Zugegeben, das wäre zu schön um wahr zu sein. Ich korrigiere mich: Beste Voraussetzungen, die Klone des niederträchtigen Kollegen schnell mal unter die Lupe zu nehmen, bevor man sich damit in die nächste Versuchsreihe stürzt - nur um irgendwann, viel zu spät, festzustellen, dass der Klon nix taugte. Gut, das mit dem niederträchtigen Kollegen ist erfunden. Das mit dem Taugenichts-Klon leider nicht. cornel.muelhardt@web.de




Letzte Änderungen: 08.09.2004