Editorial

Gene Editing in Zebrafischen mit CRISPR/Cas

Subtile Veränderungen

Karin Hollricher


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Freuen sich darüber, dass die Manipulation von Zebrafischgenen dank CRISPR fast ein Kinderspiel ist: Gruppenleiterin Bettina Schmid (l.), der Mann mit den geschickten Händen, Alexander Hruscha, und Masterstudentin Hannelore Hartmann.

Noch nie war es so einfach, Gene in Zebrafischen auszuschalten oder umzuschreiben. Ganz perfekt ist das Zebrafisch-"Crispern" aber noch nicht.

Aus heiterem Himmel fiel den Gentechnologen ein Schatz ins Eppi: das bakterielle CRISPR/Cas9-System. Im wahren Leben sorgt es bei Prokaryonten für eine anpassungsfähige und vererbbare Immun­abwehr, mit der sich diese vor fremder DNA (Phagen und Plasmiden) schützen. Dieses System lässt sich prima nutzen, um Gene zu editieren, Knock-out- und auch Knock-in-Mutanten herzustellen; und das nicht nur in Prokaryoten, sondern auch in Hefen, Pflanzen und Tieren. Schon sprechen einige von einer „neuen Ära in der Gentechnologie“, einer „revolutionär neuen Methode in der reversen Genetik“ und setzen diese Entdeckung hinsichtlich ihrer künftigen Nützlichkeit mit der Entwicklung der PCR gleich.

Auch Wissenschaftler am deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in München, die mit Zebrafischen arbeiten, waren sofort begeistert, als sie die ersten Berichte über die Anwendung von CRISPR lasen. Und das aus einem sehr speziellen Grund: „Zebrafische sind zwar wunderbare Modellorganismen, aber das Gene Editing ist sehr, sehr schwierig und wenig effizient“, berichtet Bettina Schmid, die Leiterin der DZNE-Fish Core Facility. „Als wir das CRISPR-Paper gelesen hatten, wollten wir das daher unbedingt ausprobieren – auch wenn es uns zunächst wirklich als Projekt mit hohem Risiko erschien.“

Das "CRISPR-Paper" erschien am 17. August 2012 in Science. Eine Gruppe um Jennifer Doudna (University of California) und Emmanuelle Charpentier (damals Universität Umeå) dokumentierten darin die prinzipielle Eignung von CRISPR als gentechnologisches Werkzeug (Jinek et al., Science. 337:816-21).

Bei Schmids Worten muss Alexander Hruscha grinsen. Denn der technische Assistent der Gruppe hatte die Ehre, dieses vermeintlich hoch riskante Projekt in die Tat umzusetzen. Er war überzeugt, es müsse funktionieren. Es musste einfach, denn bis dahin konnte man Gene im Fischgenom nur mit hohem Aufwand und nicht routinemäßig editieren. Das ist aber nötig, um gezielt Tiermodelle für Krankheiten zu züchten und zu testen. „Alex hat sich mächtig reingehängt und er hat es geschafft. Das ist eigentlich wirklich alles seine Arbeit“, sagt Schmid. Der Lohn der Mühe sind nicht nur einige neue mutierte Fischlinien sondern auch ein Artikel in Development mit Hruscha als Erstautor (Hruscha et al., Development, 140(24):4982-87)!

Und wie stellt man die Fischmutanten her, wollten wir natürlich von Hruscha wissen? „Das ist phänomenal einfach“, sagt der, fährt sich durchs verwuschelte Haar und grinst lässig. Es bedürfe keiner langwierigen Klonierungsarbeit, ginge eigentlich ziemlich zügig und sei auch nicht besonders teuer. Hört sich doch super an. Also schauen wir uns mal die Details an.

Für das Erzeugen einer Mutation mit dem CRISPR/Cas9-System braucht der Gentechnologe zwei Bestandteile des natürlichen Systems: Erstens die Cas9-Nuklease, die DNA-Doppelbrüche erzeugt. Und zweitens eine RNA, bestehend aus der bis zu 78 Nukleotid langen cr-Sequenz, sowie eine kürzere tracr-RNA, die für die Erkennung durch die Cas9-Nuklease nötig ist.

Im natürlichen Zustand sind dies zwei RNA-Moleküle. Doch auch ligiert, und als einzelne RNA transkribiert, ist das Molekül voll funktionsfähig. Fügt man diesem Konstrukt eine Sequenz hinzu, die komplementär zum Zielgen ist, ist die gRNA (guide RNA) bereits fertig. Dabei ist aber zu beachten, dass auf der genomischen Sequenz direkt neben der Zielsequenz ein aus drei Nukleotiden bestehendes Protospacer Adjacent Motif (PAM) vorhanden sein muss.

Die gRNA leitet die Nuklease zum genomischen Ziel, wo Cas9 den DNA-Strang aufschneidet. Die Reparatur der genomischen DNA kann auf zweierlei Weise erfolgen. Entweder als Nichthomologe Verbindung der Enden (Non-homologous End Joining), was in der Regel zu Insertionen und/oder Deletionen und somit zu Verschiebungen des Leserasters (Frameshifts) oder Stopcodons führt. Oder die dsDNA wird durch homologe Reparaturmechanismen (Homology Directed Repair) wieder instandgesetzt. Dabei wird die herausgeschnittene genomische DNA anhand einer Vorlage – hier der gRNA – ersetzt. Den ersten Reparaturmechanismus nutzt man zum Erzeugen von Knock-Out-Mutanten, mit dem zweiten kann man Gene editieren, also Knock-In-Mutationen erzeugen.

Wie funktioniert das in der Praxis? Hruscha testete das Verfahren mit vier jeweils 20 Nukleotide langen Zielsequenzen. Jedes dieser Oligos ligierte er zwischen eine cr/tracr-Sequenz vom CRISPR-Locus und einen T7-Primer. So konnte er die ­gRNAs mit einem T7-Polymerase-Kit direkt von den Oligos transkribieren lassen, ohne das Konstrukt klonieren zu müssen.

Fehlt noch die Nuklease. Die muss man sich glücklicherweise nicht selber in vitro translatieren oder gar aus Prokaryonten aufreinigen – die Translation übernimmt das Fischei. So entsteht eine mRNA mit Cap und polyA-Tail. Dass der Translationsapparat des heranreifenden Fischembryos diese Aufgabe übernimmt, findet der Gentechniker natürlich prima. Also besorgte sich Hruscha das Plasmid mit dem Cas9-Wildtypgen von Streptococcus pyogenes – ein bisschen klonieren musste er jetzt aber doch noch. Da das Gen aus kernlosen Prokaryonten kommt, die Nuklease aber im Kern der Fischzellen aktiv sein soll, musste er vorne und hinten noch Signalsequenzen für die Lokalisierung im Kern anheften. Dieses Molekül vervielfältigte er mit einer PCR, klonierte es und ließ es schließlich per Kit in vitro transkribieren.

Die RNA-Moleküle injizierte er in die nur einen Millimeter großen Eier: jeweils 0,2 bis 0,4 Picoliter einer Mixtur aus gRNA (2,4 mg/ml) und Cas9 mRNA (0,5 mg/ml). Am Mikromanipulator ist Hruscha Experte: pro Stunde schafft er durchschnittlich über 300 Injektionen. „Das kann hier kein anderer“, sagt Schmid schwer beeindruckt.

Die bereits befruchteten Fischeier sollte man natürlich möglichst früh, am besten im Ein-Zell-Stadium, behandeln, damit später so viele Zellen wie möglich – und natürlich vor allem die Geschlechtszellen – transgen sind. So entstehen P0-Founder-Fische mit einer oder mehreren Mutationen auf einem oder beiden Allelen. Kreuzt man diese, erhält man transgene F1, wenn der P0-Elter die Mutation in der Keimbahn hatte.

Mit der Effizienz sei er recht zufrieden, sagt Hruscha. In einem Fall haben die Forscher die Zielsequenzen der mutierten Embryonen sequenziert: sie fanden bei der Hälfte der Tiere Insertionen/Deletionen (Indels) im Zielbereich. Fehlerhaft platzierte Mutationen, so genannte Off-Target-Sites, waren selten: weniger als drei Prozent Mutationen traten in Sequenzen auf, die der Zielregion am ähnlichsten waren, also am ehesten von einer Mutation hätten betroffen sein können.

Durch diese Ergebnisse angestachelt, versuchten sich die Forscher auch an Knock-In-Mutationen. „Seit langem versuchen wir mit wenig Erfolg, gezielt Gene zu editieren“, sagt Schmid. Dabei wären Knock-In-Linien sehr wertvoll, denn damit könnten die Forscher Modelle für humane neurodegenerative Erkrankungen nachstellen. Gene, die bei der Entstehung dieser Erkrankungen eine Rolle spielen, werden offensichtlich nicht völlig ausgeschaltet oder stark überexprimiert, die Veränderungen sind subtiler. Fischlinien, in denen die Fischgene exakt die gleichen Mutationen haben wie ihre homologen menschlichen Varianten, wären deshalb sehr hilfreich.

So bastelte sich die Gruppe ein Oligo, das sie über homologe Rekombination hinter das Startcodon des Fischgens tardbpl hinein-"crispern" wollten. Bei Patienten mit Amyotropher Lateralsklerose (ALS) und Frontotemporaler Demenz (FTD) fand man nämlich Mutationen in der menschlichen Genvariante, die für dieses DNA-bindende Protein codiert (Acta Neuropathologica ,114 (1): 63-70).

Seltene Kollaterlalschäden

Das Oligo versah die Gruppe, zwecks Markierung des mutierten Proteins, mit zwei HA-Tags. 6 % der aus den behandelten Eiern entstandenen Fische hatten die HA-Tags integriert, davon 3,5 % ohne weitere Mutationen. Versuche mit einem anderen Gen waren weniger erfolgreich.

Just während Hruscha in München mehr oder weniger alleine die Fischeier manipulierte, waren auch Forscher in Massachusetts bei der Arbeit. Sie mutierten zehn Gene von Zebrafischen, in insgesamt 100 Embryonen, mit verschiedenen gRNA-Konstrukten, die sich nicht nur hinsichtlich ihrer Zielsequenz sondern auch im Anteil der CRISPR-RNA unterschieden. Kurz gesagt: in 24-60 % der Embryonen fanden sie Indels; sogar in zwei Genen, die sie vorher trotz vieler Versuche mit der zum gleichen Zweck benutzten TALEN-Technologie nicht mutieren konnten. Zwei gRNAs funktionierten allerdings gar nicht: Mutationsfrequenz gleich Null (W.Y. Hwang et al. Nature Biotechnol, 31 (3), 227-9).

Warum, weiß man nicht. Aber je mehr solcher Versuche bekannt werden, umso eher gelingt es vielleicht herauszufinden, ob die Effizienz der Mutagenese von der Sequenz der gRNA abhängt.






Letzte Änderungen: 13.05.2014