Editorial

Forschungskooperation Deutschland – Israel (3)
„Ich weiß nicht, was kommen wird“

Gespräch: Karin Hollricher


(21.03.2024) Der Arzt Idan Ben-Horin aus Israel lebt seit sechs Jahren in Deutschland. Seit 2021 ist er Doktorand am Georg-Speyer-Haus in Frankfurt/Main und entwickelt Immuntherapien gegen Krebs. Finanziert wird er von der Minerva-Stiftung. Hier berichtet er, wie er persönlich den 7. Oktober erlebte und wie er seither mit der Situation umgeht.

Herr Ben-Horin, wie haben Sie die ersten Tage und Wochen nach dem Angriff auf Israel erlebt?

Porträt Idan Ben-Horin
Als Arzt Reservist auf Abruf: Idan Ben-Horin Foto: privat

Idan Ben-Horin » Nach dem ersten Schock konnte ich etwa zwei Monate lang nicht richtig arbeiten. Ich habe ständig die Nachrichten angeschaut, mich sehr um Familie und Freunde gesorgt, war dauernd am Handy. Ich habe Freunde, deren Familienmitglieder entführt wurden. Andere mussten zur Armee. Ein weiterer ist zwanzig Jahre alt und somit im Wehrdienst – was bedeutet, dass er aus diesem jetzt erstmal nicht entlassen wird.

Sie mussten nicht zur Armee?

Ben-Horin » Ich bin Arzt und Reservist. Also bin ich auf Abruf, um in Israel zu helfen, wenn es nötig ist. Bisher war es nicht nötig. Ich konnte hier bleiben und arbeiten. Aber auch in Deutschland konnte ich aktiv werden. Jede Woche hänge ich Plakate mit Bildern der Geiseln mit Freunden in Großstädten auf. Das ist unser Versuch, auf die schreckliche Situation aufmerksam zu machen.

Sie haben in Israel in einem Krankenhaus gearbeitet?

Ben-Horin » Ja! Und technisch gesehen bin ich dort immer noch angestellt. Wir hatten Patienten im Krankenhaus, die aus Gaza stammten und von denen wir genau wussten, dass deren Verwandte zur Hamas gehörten. Wir haben sie trotzdem behandelt. Deshalb ist mir die Brutalität dieses Überfalls so unbegreiflich. Natürlich sind auch die Bilder aus Gaza schrecklich. Die ganze Situation ist einfach entsetzlich.

Wie haben die Kollegen in Frankfurt reagiert?

Ben-Horin » Ich habe hier viel Unterstützung erlebt. Mein Chef hat mir zum Beispiel sofort angeboten, dass ich nach Hause fliegen kann, wenn ich will. Auch meine Kollegen waren sehr unterstützend und boten mir an, sich um meine Zellen und Experimente zu kümmern. Auch von meinen deutschen Freunden hier habe ich viel Unterstützung und Hilfsangebote bekommen. Das hat mir wirklich sehr viel bedeutet, dafür bin ich sehr dankbar.

Welche Hilfe gab es seitens der Minerva-Stiftung?

Ben-Horin » Ihre Antwort war erstaunlich und sehr hilfreich. Unmittelbar nach dem 7. Oktober verschickte die Stiftung E-Mails und berief ein Zoom-Meeting ein, um mit uns zu sprechen und ihre Unterstützung anzubieten. Danach organisierte sie ein wöchentliches Zoom-Meeting mit einem israelischen Psychologen, der in Deutschland lebt. Gerade am Anfang war es extrem hilfreich, jemanden zum Reden zu haben, der uns hilft, unsere Gedanken und Emotionen zu verarbeiten und mit Menschen in der gleichen Situation zu diskutieren. All dies ist umso bemerkenswerter und wichtiger, da in anderen Ländern die Stimmung in den Wissenschaften nicht so unterstützend für Israel war und ist.

Meine Freunde, die in den Sozialwissenschaften arbeiten, berichten, dass ihre internationalen Projektpartner die Zusammenarbeit beenden wollen, weil sie Israel als Aggressor sehen. Das hat mich überrascht, denn früher dachte ich, die akademische Welt sei tolerant, aufgeschlossen und rational. Ich dachte, die Menschen in der akademischen Welt seien in der Lage, zwischen einer Person und dem Pass, den sie zufällig hat, zu unterscheiden. Das hat mich wirklich ernüchtert, muss ich sagen.

Haben Sie auch Erfahrungen mit Antisemitismus in Deutschland gemacht?

Ben-Horin » Unmittelbar nach Kriegsbeginn gab es auch in Deutschland eine Zunahme antisemitischer Vorfälle. Zum Beispiel wurden Häuser mit Davidsternen markiert. Glücklicherweise habe ich persönlich bisher nichts Antisemitisches erlebt, aber mir ist bewusster geworden, wer um mich herum ist. Wenn ich zum Beispiel auf der Straße auf Hebräisch telefoniere oder auch die Plakate der Geiseln aufhänge, achten wir immer darauf, dass wir vorsichtshalber in Gruppen von mindestens drei Personen gehen.

Wollen Sie angesichts dessen in Deutschland bleiben oder zurückgehen?

Ben-Horin » Ich weiß es noch nicht. Die Großmutter meines Partners ist eine Auschwitz-Überlebende und sie war nicht allzu glücklich darüber, dass wir beide in Deutschland leben und arbeiten. Meine Kultur ist israelisch, meine Familie und Freunde sind immer noch dort – und ich habe eine starke Verbindung zu ihr. Aber natürlich gibt es auch dort viele Herausforderungen. Ich stimme mit der israelischen Regierung in vielen Dingen nicht überein. Insofern weiß ich noch nicht, was kommen wird. Aber ich bin sicher, dass ich, so faszinierend ich die Wissenschaft auch finde, zurück in die Klinik möchte, weil ich den Kontakt zu den Patienten vermisse.