Editorial

Buchbesprechung

Diana Maier



Hynek Burda, Peter Bayer & Jan Zrzavý:
Humanbiologie.

Broschiert: 446 Seiten
Verlag: UTB GmbH, Stuttgart; Auflage: 1. Aufl. (1. Oktober 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3825241300
ISBN-13: 978-3825241308
Preis: 24,99 Euro (broschiert), 19,99 Euro (Kindle Edition).

Der Krieg der Spermien

Drei Autoren zeigen uns den Menschen so, wie wir uns selber noch nie gesehen haben.

Es ist ein simpler Trick, den die drei Biologen Hynek Burda, Peter Bayer (beide von der Uni Duisburg-Essen)und Jan Zrzavý (Uni Budweis) in ihrem Buch Humanbiologie verwenden: Sie behandeln den Menschen als Tier und beschreiben so die Entwicklung und das Verhalten der Spezies Homo sapiens. Dabei gehen sie der Frage nach, was uns Menschen ausmacht und was wir mit den Affen gemein haben. So viel sei verraten: Da gibt es weit mehr, als mancher meinen möchte.


Foto: Adidas

Zunächst zum Vordergründigen: Der Aufbau des Buches ist durchdacht und übersichtlich. Alle Abbildungen sind farbig und geben auf einen Blick das im Text Gesagte wieder. So beispielsweise die Grafik über das Kindchenschema, bei der Kopfformen und Gesichter juveniler und adulter Vertreter von Mensch, Hase, Hund und Huhn vergleichend abgebildet sind. Wichtige Schlagwörter sind in Fettdruck hervorgehoben und erleichtern die schnelle Suche. Am Rand ist in aller Kürze das Wichtigste notiert. In übersichtlichen Boxen werden bedeutende Aspekte gesondert abgehandelt, wie etwa die Erläuterung der Mem-Theorie (bekannt aus der Nerd-Serie The Big Bang Theory) oder was es mit der Milchverdauung und der Alkohol(un)verträglichkeit auf sich hat. Oder aber wie sich Nahrungs-Tabus bei eigentlich essbaren Produkten entwickeln, so wie das Tabu des Verzehrs von Hunde- oder Pferdefleisch in westlichen Kulturkreisen.

Wohl um den Rahmen des Buches nicht zu sprengen und aus Gründen der Übersichtlichkeit verweisen die Autoren stellenweise auf Lehrbücher aus den jeweiligen Spezialdisziplinen und gehen nur kurz auf die entsprechende Thematik ein, um für nachfolgende Kapitel eine verständliche Grundlage zu schaffen.

Der inhaltliche Einstieg erfolgt über die Betrachtung der phylogenetischen Stellung des Menschen und unserer Beziehung zu unseren Vorfahren, etwa zu dem bekannten weiblichen Australopithecus „Lucy“. Weiter wird erläutert, wie die unterschiedlichen menschlichen Rassen entstanden und wie ihre späteren Wanderungen auf der Erde vonstatten gingen. Dieses Kapitel ist ein Heimspiel für Mitautor Jan Zrzavý: Der an der Südböhmischen Universität in Ceské Budejovice (Budweis) lehrende Evolutionsbiologe hat bereits als Autor des vielgelobten Springer-Spektrum-Titels Evolution. Ein Lese-Lehrbuch sein Können als Lehrbuchautor bewiesen.

Männer, klettert öfter an Felsen!

Beim Sozialverhalten gehen die Autoren erfreulich unverblümt vor. Gekonnt und spannend vergleichen sie das Sexual­verhalten von Affe und Mensch. Der Mensch wird hierbei ebenso nüchtern abgehandelt wie seine Trockennasen-Vettern. Es ist eine wahre Wonne, das Ganze einmal aus dieser speziellen Perspektive zu lesen, wenn beispielsweise ausgeführt wird: Menschen sind Allesfresser mit einem hohen Anteil an kooperativer Jagd großer Tiere und mit einer für Säugetiere einzigartigen sexuellen Arbeitsteilung.

Ebenso werden die Gefahren der Partnerwahl, des Zusammenlebens und der sexuellen Beziehungen beschrieben. Männer etwa, so die Autoren, sollten in ihrem Leben etwas riskieren, um für Frauen attraktiver zu werden: Sie sollten das Felsklettern und ähnlich riskante Hobbies pflegen. Weiterhin schildern die Autoren, wie sich Frauen in der fertilen Phase verhalten oder warum „Mann“ mehr Chancen hat bei „Frau“ zu landen, wenn er einen dicken Mercedes fährt anstatt einen 20 Jahre alten Golf. Auch der „Krieg der Spermien“ kommt nicht zu kurz. Bei diesem Phänomen produzieren Männer beim Verdacht der Untreue ihrer Partnerin mehr Spermien als sonst, um die Chancen für eine Befruchtung mit „ihren“ Spermien zu erhöhen.

Die Autoren schrecken auch vor weniger angenehmen Themen nicht zurück, wie etwa Mord unter Verwandten und Infantizid. Und sie thematisieren die Vergewaltigung als eine besondere männliche Fortpflanzungsstrategie, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Empfängnis etwa viermal höher ist als bei einvernehmlichem Verkehr. Fragt sich nur, wer sich da jetzt wieder lauter empört: die Männer oder die Frauen?

Unbequeme Wahrheiten

Viel Platz ist den Apomorphien gewidmet, also den Merkmalen, die in der Phylogenese neu erworben wurden. Detailreich stellen die Verfasser die verschiedenen Entwicklungen vom Affen zum Menschen dar, zum Beispiel die Evolution der Hand und unseren Weg zum bipedalen Laufen.

Sehr interessant ist auch das Kapitel über die Krankheiten des Menschen. Darin findet man Informationen über Vergiftungen, Parasitosen, die Krankheiten des Alters, aber auch über die Zivilisationskrankheiten, die durch neue Technologien und Lebensstile ausgelöst werden – etwa Allergien und Schäden, die durch Umweltverschmutzung mit verschiedenen Stoffen und Chemikalien erzeugt werden. Selbst den philosophischen Fragen des Lebens wird Rechnung getragen: Die Definition, wann das Leben entsteht und wann es endet, ist auch unter Nicht-Biologen ein immer wieder heiß diskutiertes Thema.

Um es kurz zu machen: Die interessanten Themen, die bunten Beispiele, die das Lernen erleichternden, Verlags-typisch eingestreuten Merksätze, Definitionen und Boxen sowie die spürbare Begeisterung der Autoren machen die Humanbiologie zu einem rundum gelungenen Lehrbuch.




Letzte Änderungen: 14.02.2015