Editorial

Buchbesprechung

Winfried Köppelle




Buchbesprechung

Winfried Köppelle


Hubert Rehm & Frederike Hammar:
Biochemie light.

Broschiert: 188 Seiten
Verlag: Europa-Lehrmittel; Auflage: 5 (17. Oktober 2013)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3808554436
ISBN-13: 978-3808554432
Preis: 24.80 Euro

Biochemische Formelsammlung

Wie viel Grundwissen ist nötig, um die ungeliebte Biochemie im Nebenfach zu überstehen?

Der Stryer, das erstmals 1975 erschienene Standardwerk der Biochemie, hat inzwischen weit über tausend Seiten. Braucht man die? Lubert Stryer, inzwischen Emeritus der Stanford University, würde sagen: Absolutely! Und selbst Hubert Rehm, dessen eigenes Biochemie-Lehrbuch im Folgenden besprochen wird, musste schon vor mehr als zehn Jahren unumwunden zugeben: Als Lehrbuchautor packt einen beim Studium des Stryers der Neid. So schöne Fotos, so gekonnte, bunte, eingängige Zeichnungen, soviel Grips, so wenige Fehler. Wozu aber braucht es dann noch Alternativen, wenn der Stryer offenbar das Maß aller (Biochemie-Lehrbuch-)Dinge ist?

In der Tat ist es unnötig, hier weiterzulesen, falls Sie lebenslange Duzfreundschaften mit Cofaktoren, Substratspezifitäten und Enzymbindungstaschen geschlossen haben; wenn Ihnen der Name Henderson-Hasselbalch etwas sagt; wenn Sie den Unterschied zwischen Glykogen und Glukagon kennen und Sie Stereo­isomere keineswegs in Ihrer HiFi-Anlage verorten. Kaufen Sie sich den Stryer (80 Euro), sofern Sie ihn nicht bereits besitzen, und dazu noch ein Online-Abo der Fachzeitschrift Biochemistry (250 Artikel-Downloads kosten 95 Dollar)!

Zielgruppe: Nebenfächler und Grundstudenten

Alle anderen jedoch – alle Abiturienten, Lehramtsstudenten, Pflichtpraktikums-Geplagten und künftigen Allgemeinmediziner – sind vermutlich froh, wenn sie nicht tausend, sondern nur 175 Seiten lernen müssen. Gerade zukünftige Ärzte wollen die mit komplizierten Formeln und verwirrenden Strukturen gespickte Biochemie erfahrungsgemäß ganz schnell hinter sich bringen und sich dann erleichtert dem widmen, was wirklich zählt im Leben: Röntgenbilder begutachten, Spritzen setzen, Golf spielen.

Und dafür taugt Biochemie light vorzüglich. Das im Vergleich zu anderen Biochemie-Lehrbüchern konkurrenzlos dünne Bändchen ist gleichsam eine konzentrierte, inhaltlich vereinfachte Sammlung der für Biochemiker im Nebenfach wichtigsten „Formeln“, mit deren Hilfe sie die geforderten Prüfungen zwar nicht glänzend, aber hinreichend bestehen werden. Das Motto der Verfasser lautet: „Man kann nicht überall alles wissen.“

Das Buch ist vor allem eins: übersichtlich. In wenigen Sekunden findet der Leser die jeweiligen Inhalte, mögen dies die enzymatischen Reaktionsprinzipien (ab Seite 21), die wichtigsten molekularbiologischen Methoden (Seite 58ff), die elementaren Stoffwechselvorgänge rund um Gluconeogenese und Citratzyklus (ab Seite 74ff) oder die biochemischen Abläufe im Blut (Seite 135ff) sein. Die klassischen experimentellen Methoden, die in den einschlägigen Praktika verwendet werden, sind ebenfalls aufgeführt und gut verständlich erklärt – zum Beispiel die gängigen Chromatografie-Verfahren, DNA- und Protein-Sequenzierungsmethoden, Southern Blot, Restriktionsverdau und so weiter. Aktuell ist das Buch auch – trotz aller Knappheit: Gegenüber der vorigen Auflage wurden allerhand neue Themen aufgenommen: so etwa die Apoptose, die Epigenetik, die Gentherapie, miRNAs sowie DNA-Marker. Die weit über 200 Abbildungen sind in der Regel prägnant und direkt neben den thematisch zugehörigen Textpassagen platziert – gelegentlich aber zu klein, zu schematisch oder inhaltlich zu weit abgespeckt.

Ballastreduzierung um jeden Preis?

Ein grundsätzliches, dem Konzept von Biochemie light geschuldetes Dilemma bleibt: Werden komplexe Zusammenhänge zu sehr ausgedünnt und aufs vermeintlich Wesentliche reduziert, so passiert genau das, was die Autoren vermeiden wollen: Die Verständlichkeit leidet. Um es überspitzt auszudrücken: Die oxidative Phosphorylierung lässt sich eben nicht in allen prüfungsrelevanten Details mit nur einem Satz erklären. Der Stryer benötigt dafür satte 42 Seiten, Biochemie light immerhin noch deren drei.

Dies mag knapp ausreichen. Gelegentlich aber würde man als Leser gerne mehr zu einem bestimmten Detail erfahren – doch eben dies widerspräche dem Ziel der Autoren, jeglichen inhaltlichen „Ballast“, der zum Bestehen der relevanten Prüfungen nicht nötig ist, wegzulassen. Daher ist die Lektüre von Biochemie light zwangsläufig nur selten unterhaltsam. Doch genau dies ist ja auch das Ziel der Verfasser: Ihr Buch soll maximal effizient sein, nicht kurzweilig.




Letzte Änderungen: 04.11.2014