Editorial

CAR-T-Zell-Therapie

von Melanie Erzler (Laborjournal-Ausgabe 3, 2018)


Stichwort

T-Zellen werden oft als Fußsoldaten der Immunabwehr begriffen – doch seit Kurzem haben sie deutlich an Geschütz gewonnen. Letztes Jahr hat die Food and Drug Administration (FDA) genetisch modifizierte CAR-T-Zellen zur Behandlung der akuten B-Zell-Leukämie (B-ALL) bei Kindern und jungen Erwachsenen zugelassen.

Die Methode gibt Grund zur Hoffnung, zukünftig auch viele andere Krebsarten behandeln zu können. Grundlage ist der artifizielle Rezeptor CAR (Chimeric Antigen Receptor), der spezi­fi­sche Tumor-Antigene erkennen kann. Ein­gebaut in körpereigene T-Zellen ermöglicht er ihnen, Tumorzellen aufzuspüren, die dem Immunsystem normalerweise entgehen. Dem Patienten werden hierfür T-Zellen entnommen und der Rezeptor gelangt über virale Vektoren oder Elektroporation in die Zellen. Anschließend werden die entstandenen CAR-T-Zellen wieder in den Körper transfundiert und starten dort einen Angriff auf die Zielzellen.

Variable Rezeptor-Bausteine

Wie der Name sagt, setzt sich CAR aus verschiedenen Modulen zusammen. Zentral ist die Antigen-Bindungsstelle, die über die Transmembrandomäne mit intrazellulären ­Signalmolekülen verknüpft ist. Die extrazelluläre Bindungsstelle ist variabel, was die Therapie verschiedenster Krebsarten ermöglicht. Als Signalmolekül diente in der ersten Generation ausschließlich das T-Zell-aktivierende Molekül CD3-zeta. In zweiter und dritter Generation kamen die Co-Stimulatoren CD28 und/oder 4-1BB hinzu, um Proliferation, Überleben und Zytokinproduktion zu erhöhen. Die vierte Generation wurde zusätzlich mit anti-tumoralen Eigenschaften bestückt (TRUCKs), welche vor allem bei der Attacke solider Tumore helfen sollen. Diese machen es den CAR-T-Zellen durch ihr unwirtliches Tumormilieu deutlich schwerer, zu den Krebszellen vorzudringen.

An der Zulassungsstudie für die CAR-T-Zell-Therapie gegen B-ALL nahmen 75 Kinder und junge Erwachsene teil, bei denen zuvor keine andere Therapie angeschlagen hatte. Der generierte CAR erkannte in diesem Fall CD19, das auf allen B-Zellen exprimiert wird. Die Remissionsraten der Patienten, die in ihrem Krankheitsstadium nur noch wenige Monate überlebt hätten, waren extrem überzeugend: 81Prozent erzielten eine komplette Remission, bei der Hälfte war sie nach einem Jahr noch erhalten (N. Engl. J. Med. 378: 439-48).

Da die Herstellung schwierig und die Nebenwirkungen immens sind, wird sich die Therapie bis auf Weiteres aber wohl auf Spezialzentren und Patienten beschränken, bei denen alle anderen Optionen ausgeschöpft sind. Aber das Feld soll wachsen: Mehr als 200 klinische Studien mit CAR-T-Zellen sind derzeit registriert.

Massive Nebenwirkungen

Ein ungelöstes Problem des vielversprechenden Therapieansatzes sind die teilweise sehr starken Nebenwirkungen. Nachdem die T-Zellen ihr Tumorantigen erkannt haben, schütten sie Massen an Zytokinen aus, um weitere Immunzellen anzulocken. Eine überbordende Entzündungsreaktion kann ein Zytokin-Freisetzungs-Syndrom (Cytokine Release Syndrome) auslösen, das lebensbedrohlich werden kann. Das Resultat sind hohes Fieber, Blutdruckabfall bis hin zum Herzstillstand. In verschiedenen Studien zeigten sich zudem neurotoxische Symptome.

Darüber hinaus ist es für die T-Zellen nicht immer leicht, Krebszellen sauber von den körpereigenen zu unterscheiden, da sich die Oberflächenmoleküle zu einem großen Teil überschneiden. Somit werden auch körpereigene Zellen bekämpft. Im Fall des CAR-Antigens CD19 töten die Immunzellen nicht nur Tumorzellen sondern auch B-Lymphozyten ab, was zu einer B-Zell-Aplasie führt. Die Auswirkungen können jedoch durch Blutplasma-Transfusionen und Antikörper-Präparate in Schach gehalten werden. Vor allem bei soliden Tumoren sind die Schäden allerdings oft nicht so leicht zu beheben: Schwere „On-Target Off-Tumor“-Reaktionen gab es beispielsweise beim Lungenkarzinom, in dem ErbB2 als Ziel angesteuert wurde.

Diese Probleme versuchen Forscher mit unterschiedlichen Strategien anzugehen. Beispielsweise werden den CAR-T-Zellen Selbstmord-Gene eingebaut, durch die überschießende T-Zellen abgeschaltet werden können. Durch die Expression mehrerer CAR auf einer Zelle können die Tumorzellen zudem spezifischer angegriffen werden.

Weitere Mitspieler

Aber warum sich nur auf T-Zellen beschränken? In den letzten Jahren gab es einige Untersuchungen mit dem Ansatz, den CAR auch in andere Immunzellen einzubauen und sich deren individuelle Eigenschaft zunutze zumachen. CAR-gammadelta-T-Zellen beispielsweise können den konventionellen T-Zellen Tumor-Antigene präsentieren und somit die Remission verlängern. CAR-NKT-Zellen haben hingegen die Möglichkeit, mit ihren endogenen Rezeptoren leichter ins Tumormilieu einzudringen und könnten so bessere Chancen gegen solide Tumore haben.

Am Weitesten untersucht sind die CAR-NK-Zellen, mit denen bereits mehrere klinische Studien gegen hämatologische und einen soliden Tumor laufen. NK-Zellen spielen von Haus aus eine wichtige Rolle in der Tumor­abwehr, und diese Eigenschaft kann durch eine CAR-Expression noch verstärkt werden. Interessant ist die Möglichkeit, statt patienteneigenen Zellen die gut etablierte NK-92-Zelllinie für den CAR-Transfer nutzen zu können – dies erleichtert die Kultivierung der modifizierten Zellen enorm. Außerdem überleben transfundierte NK-Zellen deutlich kürzer im Körper, was eine langfristige Toxizität vermeiden könnte.

Möglich also, dass unsere Fußsoldaten bald Unterstützung bekommen.



Letzte Änderungen: 01.03.2018