Editorial

DNA-Vielfalt im Bier

(25.6.15) Schweizer Genetiker wollen die DNA von tausend Bieren analysieren und suchen dafür Unterstützer mit einer Crowdfunding-Kampagne.
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Die Gründer von SwissDeCode, einem Spin-off der Universität Genf, wollen aus DNA-Daten einen Stammbaum des Gerstensafts erstellen. Die Hypothese der Forscher um den Biochemiker Gianpaolo Rando: Die genetischen Fingerabdrücke der Organismen, die beim Brauprozess eine Rolle spielen, könnten etwas über den Geschmack des Bieres verraten.

Hat das Projekt Erfolg, so werden Brauprodukte mit ähnlichem DNA-Profil auf benachbarten Ästen eines Baum-Diagramms liegen. Bier-Liebhaber könnten sich also von Ast zu Ast trinken und entweder vertraute oder neue Geschmacksrichtungen aufsuchen – je nachdem, wie weit man sich vom Ausgangspunkt entfernt.

79 € für die Analyse des eigenen Bieres

Wie bei Crowdfunding-Projekten üblich, gibt es Anreize für Förderer, die BeerDeCoded unterstützen. Mikro-Finanziers, die mindestens 5 € beitragen, dürfen eine Biersorte zur Sequenzierung nominieren. Ab einer Spende von 25 € darf der Gönner mit-entscheiden, welche Biere tatsächlich in das Projekt aufgenommen werden. Und (Hobby-)Brauer, die 79 € in den Topf werfen, können ein eigenes Bier analysieren lassen.

Das Mindest-Finanzierungs-Ziel,10.000 €, ist wenige Tage vor Ende der Kampagne bereits erreicht.

Aber Moment mal. Wie sequenziert man ein Bier? Biere sind ja keine Lebewesen mit eigener DNA.

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Spezielle Bier-Gene gibt es natürlich nicht. Aber die pflanzlichen Zutaten und diverse Mikroorganismen hinterlassen DNA-Spuren, die auch beim Erhitzen des Suds nicht verloren gehen. Da sind zum einen die für den Brauprozess unentbehrlichen Hefen. So unterscheidet sich zum Beispiel obergäriges Bier (etwa Weißbier, Kölsch oder Ale) und untergäriges Bier (Pils, Helles) im Verhalten der jeweils verwendeten Hefe im klassischen Brauvorgang: Bei obergärigem Bier schwimmt die Hefe (in der Regel Saccharomyces cerevisiae) auf dem Brausud. Bei untergärigem Gebräu kommt eine andere Hefe-Art zum Einsatz, die nach der Gärung auf den Boden sinkt.

Hopfen und Malz ... und Hefen und Bakterien

Auch durch die Wahl von Getreide und Hopfen prägt die Braumeisterin den Geschmack. „Jedes Bier ist eine einmalige Kombination aus Getreide- Hopfen- und Hefe-Sorten", betonen die Schweizer Bier-Analytiker.

Während der Gärung gedeihen aber nicht nur Hefen, sondern auch diverse Bakterienarten. Auf die Vielfalt der Bakterien im Bier nimmt der Braumeister weniger Einfluss, zumindest nicht bewusst. Aber auch die bakteriellen Gärungsgenossen und ihre Stoffwechselprodukte sorgen für Geschmack, positiv oder negativ.

Ein extremes Beispiel für mikrobielle Diversität im Gerstensaft sind die eigenartigen Produkte der Lambic-Brauereien. Diese belgischen Spezialitäten-Erzeuger stellen ihr Bier noch nach althergebrachter Weise her. Seit Emil Carlsberg gegen Ende des 19. Jahrhunderts als erster Hefe in Reinkultur isoliert hat, geben die meisten Braumeister eine definierte Hefeart zu; das verspricht ein reproduzierbares Ergebnis der Gärung.

Spontane Gärung

Nicht so die Lambic-Erzeuger. Diese füllen ihren warmen Sud wie früher einfach in einen offenen Bottich und warten auf die Dinge, die da geschehen – also auf Hefe- und Bakterienstämme aus der natürlichen Umgebung der Brauerei, die in den Sud gelangen und die Gärung in Gang bringen. Darunter finden sich neben den üblichen Saccharomyces-Arten auch exotischere Hefen sowie diverse Bakterien (siehe Spitaels et al, PLOS ONE).

Das Geschmackserlebnis eines frisch gebrauten Lambic-Bieres ist so unvorhersehbar wie gewöhnungsbedürftig. Und offenbar selbst für viele belgische Gaumen nur durch die Zugabe von Kirschen (im „Kriek"-Bier) erträglich.

Aber auch bei konventionellen Bieren, ob aus der Groß-Industrie oder einer der vielen handwerklichen Kleinbrauereien, bestimmen mikrobielles Profil und Sortenwahl den Geschmack.

Oder sind es doch in erster Linie die Parameter des Brauprozesses, also Temperatur, Gärungszeit, Filtration etc., die über den individuellen Geschmack entscheiden?

Vorerst nur eine Hypothese

Dass Biere, die auf dem angedachten DNA-„Bierbaum" auf benachbarten Ästen sitzen, auch ähnlich schmecken – das ist jedenfalls vorerst nur eine Hypothese. Das eine hängt vielleicht auch mit dem anderen zusammen, vermutet Rando: „Es könnte sein, dass bei verschiedenen Braumethoden jeweils verschiedene Mikroorganismen auftreten – auch wenn die Zutaten ansonsten identisch sind."

Auch regionale Unterschiede könnten zutage treten, hofft Rando: „Es gibt Bakterien, die an Getreide wachsen und spezifisch für bestimmte Regionen sind".

Ob der DNA-basierte Distanz-Baum für den Gast an der Theke wirklich eine Entscheidungshilfe sein wird, ist allerdings noch nicht klar. Direktere Aussagen über den Geschmack eines Brauprodukts wären vielleicht eher von Daten über die chemischen Komponenten zu erwarten (etwa durch massenspektroskopische Profile), als vom genetischen Fingerabdruck.

DNA ist nicht alles

Für den ersten Schritt konzentrieren sich die Schweizer aber auf DNA, „aus strategischen Gründen" wie sie sagen. Und Rando ergänzt: "Die DNA beantwortet nicht alle unsere Fragen, aber für unser Projekt ist die DNA-Analyse der erste Schritt".

Alle Schritte des Projekts sollen transparent ablaufen. Interessierte können sogar selbst bei den Experimenten dabei sein, bei einem Besuch des Hackuarium-Labors in Renens-Lausanne (Schweiz) oder über Online-Webinare.

Denn natürlich geht es bei diesem Crowdfunding-Projekt auch darum, Bürgern die Arbeitsweise der modernen Genomik zu vermitteln – und die Möglichkeiten neuer Finanzierungswege für Forschungsprojekte zu testen.


Hans Zauner

Foto: (c) draghicich, Fotolia


Links:

Kampagnen-Seite von BeerDeCoded

Blog-Post von Bastian Greshake.




Letzte Änderungen: 07.08.2015