Editorial

Herausgeber-Zoff bei Frontiers (Teil 2)

(8.6.15) Beim Streit des Frontiers-Verlags mit einer Gruppe seiner Herausgeber spielt auch die gescheiterte Allianz mit der Nature Publishing Group eine Rolle.


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Der von Henry und Kamila Markram gegründete Frontiers-Verlag hat sich von 31 kritischen Editoren der Journals Frontiers in Medicine und Frontiers in Cardiovascular Medicine getrennt, weil diese in einem Manifest auf redaktioneller Unabhängigkeit vom Verleger bestanden haben. Frontiers argumentierte dagegen: Unsere Prinzipien sind nun mal so, und die geben wir nicht auf (siehe Teil 1 dieses Artikels).

Warum haben sich die Editoren überhaupt bei Frontiers beworben, wenn ihnen das Modell der Markrams nicht zusagte? Wieso plötzlich der öffentliche Protest, der dann zur Massenentlassung führte?

Die Vorgeschichte löst den Widerspruch schnell auf. Kurz gesagt: Viele dieser klinischen Wissenschaftler haben sich auch deshalb auf die (in der Regel unbezahlte) Aufgabe als Editor für Frontiers eingelassen, weil sie davon ausgingen, für die Nature Publishing Group (NPG) tätig zu werden. Im Februar 2013 verkündeten NPG und Frontiers den Beginn einer „strategischen Allianz“, NPG wurde Mehrheitseigner bei Frontiers.

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Teil der Familie

Laborjournal liegt eine Email vom März 2014 vor, in der NPG dazu eingeladen hatte, Publikationen bei Frontiers einzureichen. Frontiers-Artikel sollten zudem auf der Nature-Website sichtbar gemacht werden. Nature warb sogar mit einer eigenen Pressemitteilung für das neue Journal Frontiers in Cardiovascular Medicine. Die Botschaft kam an: Frontiers ist jetzt Teil der NPG-Familie.

Kein Wunder, dass sich zahlreiche Ärzte und Professoren begeistert als Editoren anboten. Denn der Name Nature und NPG steht nun mal für Qualitätsstandards, von denen man wohl hoffte, sie würden auf die Frontiers-Reihe abfärben.

Manche der Editoren bewarben sich nach eigener Aussage gar direkt über einen speziellen Link auf der NPG-Website, wie Ole Nielsen, Gastroenterologie-Professor am Herlev Hospital in Dänemark. Mysteriös: Frontiers' Executive Editor, Frederick Fenter, bestreitet vehement, dass sich Wissenschaftler jemals über die NPG-Seite für eine Editoren-Rolle bei Frontiers-Journals bewerben konnten ("We can fully exclude this strange supposition" war seine eindeutige Antwort auf eine entsprechende Laborjournal-Anfrage).

Wie auch immer. Der Geschäftsführer der NPG, Steven Inchcoombe, hieß die Frontiers-Editoren jedenfalls persönlich in der „NPG family“ willkommen. Aus den öffentlichen Informationen des Schweizer Business-Portals Moneyhouse geht hervor, dass Inchcoombe offenbar bis Januar 2015  Vorstand im Verwaltungsrat von Frontiers war. Auch sein Kollege Christoph Hesselmann (Leiter der Finanzabteilung bei NPG) war demnach Frontiers-Vorstandsmitglied, beide parallel zu ihren NPG-Jobs. Seitdem hält den Informationen bei Moneyhouse zufolge Henry Markram selbst den Vorstandsvorsitz.

Klammheimliches Ende einer Allianz

Frontiers war damit eigentlich bereits Teil der NPG, möchte man meinen. Aber irgendwie hört man davon nichts mehr. Anfang April fusionierte NPG (bzw. deren Verleger Macmillan, selbst wiederum Teil der Holtzbrinck Verlagsgruppe) mit Springer Science and Business Media. Springer brachte einen großen Open-Access-Marktanteil mit in die Ehe, als Eigentümer von BioMed Central und SpringerOpen. Vielleicht war der Open-Access-Verlag der Markrams für NPG deshalb nicht mehr so interessant.

Teil der NPG-Familie zu sein, davon spricht jedenfalls nicht mal mehr der Executive Editor Fenter. Auf der Frankfurter Buchmesse sagte er, Frontiers und NPG hätten lediglich einen gemeinsamen Anteilseigner und würden zusammenarbeiten, wenn sich Gelegenheiten ergeben. Da fragt man sich: Ist NPG eigentlich noch Mehrheitseigner bei Frontiers oder haben sie ihre Anteile still und heimlich abgestoßen?

NPG geht auf Distanz - nicht nur auf den Briefköpfen

Offenbar hat Frontiers aber vergessen, die eigenen Chef-Editoren über das Ende der „strategischen Allianz“ mit NPG zu informieren. Jos van der Meer, ehemaliger Editor-in-Chief von Frontiers in Medicine und Leiter der Inneren Medizin an der Radboud Universität Nijmegen (Niederlande), erklärte gegenüber Laborjournal, dass die Markrams den Bruch geheim hielten und die Editoren im Glauben ließen, Frontiers wäre noch Teil der NPG-Familie.

Ähnliches berichteten auch andere Editoren. Man durfte zwar aus bestimmten Gründen das NPG-Logo nicht auf den Briefköpfen verwenden. Dies habe aber nichts zu bedeuten, so beruhigte angeblich der Verlag.

Dass NPG auf Distanz zum Verlag der Markrams ging, hat vielleicht auch inhaltliche Gründe. Mit der Entlassung der medizinischen Editoren scheint Frontiers aber an falscher Stelle aufzuräumen. So hat der Verlag trotz des Widerstands der Editoren ein Paper zurückgezogen, das Klimawandel-Skeptiker kritisierte. Andererseits konnte der überführte Datenpfuscher Marc Hauser neulich bei Frontiers publizieren. Auch ein Paper, das den Zusammenhang zwischen HIV und AIDS verneint, durfte bestehen.

Und nach wie vor wirbt Frontiers in Medicine auf der Startseite mit dem Neapolitaner Alfredo Fusco  – der, soweit bekannt, nicht aus seiner Rolle als Associate Editorr entlassen wurde. Fusco musste acht Publikationen wegen Datenmanipulationen zurückziehen, die italienische Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugsverdacht.

All dies wurde NPG vielleicht einfach zu bunt.

 

Leonid Schneider
Illustration: (c) Artpuppy / iStock



Letzte Änderungen: 28.07.2015