Editorial

Mittag mit Wespe

(31. Juli 2014) Es ist Sommer, die Insekten greifen an. Machen uns Forschungsergebnisse – so wie sie in der Zeitung stehen – wehrlos gegen das Viehzeug? Unsere (andere) TA sticht in ein Wespennest.
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Wir speisen auf der spätsommerlich warmen Mensa-Terrasse. Bei herrlichem Blick auf die Frankfurter Skyline machen wir uns über Cordon Bleu mit grünen Bohnen an Sauce Chasseur her.

Leider nicht allein. Bereits nach zehn Sekunden ist die erste Wespe da, Sekunden später kommt Schwester Nr.225 angeschwirrt und bringt noch andere Schwarmgeschwister mit. Eine Minute später isst keiner von uns mehr. Wir brauchen alle Hände, um die vermaledeiten Viecher aus unseren Tellern fern zu halten. Bloß, wie stellt man das an?

Laut Ratgeberseite in der Boulevardpresse soll man sie nicht wegpusten, das in unserem Atem enthaltene Kohlenmonoxid macht Wespen aggressiv. Genauso wenig soll man nach ihnen schlagen oder sie gar töten. Körperverletzung provoziert die betroffene Wespe persönlich zum Angrif. Bei Totschlag setzt das Opfer Pheromone frei, welche wiederum die von dem schändlichen Mord tief betroffenen Artgenossen zur unmittelbaren Vendetta veranlassen. Derlei Erkenntnisse beruhen selbstverständlich auf den neuesten Forschungsergebnissen.

Was bleibt dann zur Verteidigung übrig? Auch hier hilft uns die Boulevardpresse weiter: Das Beste sei es, die Tierchen sanft mit der Hand von sich wegzuschieben. Tolle Idee! Fehlt nur noch der Hinweis, sie vorher höflich zu bitten.

Hoffentlich hat von meinen Kollegen keiner den Artikel gelesen. Ich möchte den Leuten am Nachbartisch nicht erklären müssen, warum jemand an meinem Tisch versucht, die Wespen aus seinem Teller zu argumentieren.

Vor 20 Jahren, als sich die Menschen noch ohne Ratgeber zu helfen wussten, entledigte sich meine Großmutter der Wespen mit Hilfe der guten alten Fliegenklatsche. Noch vor zehn Jahren zerquetschte mein Chef in München die Biester mit einem blitzschnellen Klatschen zwischen den bloßen Händen. Beider Opfer blieben stets ungerächt. Zu Großmutters Zeiten gab es noch keine schlauen Ratgeber und mein Chef hat sie vermutlich nie gelesen. Recht so! Man sieht ja wohin das führt. Unsere eigenen Forschungsergebnisse machen uns wehrlos gegen das Viehzeug.

Die Wespen dagegen haben keine Ratgeber gelesen und befinden sich damit klar im Vorteil. Das aufdringlich sumsende Gesindel macht uns zunehmend aggressiv. Muss wohl an dem aus ihren Tracheen ausdünstenden Kohlenmonoxid liegen.

Wir packen unsere Tabletts und flüchten nach drinnen. Geschlagen, aber dafür wespenfrei beenden wir unser Mahl, während wir durchs Fenster die tapferen Kämpfer beobachten, die dem Viehzeug Widerstand leisten.

Einer von ihnen verpasst einer Wespe im Landeanflug auf seinen Nachtisch eine volle Breitseite mit dem Suppenlöffel, die das Insekt bis auf den Nachbartisch fegt.

Der Anblick stimmt mich nachdenklich, sind wir doch ein naturwissenschaftlicher Campus. Es waren Mitglieder unserer Zunft, die die Erkenntnisse betreffend Kohlenmonoxid und Pheromonen gewonnen und somit die Ratgeberseiten in der Presse ermöglicht haben. Das nennt man dann wohl ein klassisches Eigentor. Denn was bleibt uns nach all der Forschung als effektivstes Abwehrmittel? Flucht und Löffel.


Maike Ruprecht



Letzte Änderungen: 01.09.2014