Editorial

An der Wupper hat's sich bald ausgebayert

Der Pharmakonzern Bayer will nur mehr "mittelgroß" sein. Dafür haben die 400 Forscher sicherlich Verständnis, deren Jobs in Wuppertal nun zur Disposition stehen.

(29.11.04) Vor mittlerweile vielen Jahren gab's am Rhein einen Pharmakonzern, der zu den weltweit größten und mächtigsten gehörte. Jeder, der sich schon mal Aspirin in den schmerzenden Schädel schob, kennt seinen Namen: Bayer Leverkusen. Neuerdings jedoch scheint bei den nordrhein-westfälischen Pillendrehern die reinste Bescheidenheit ausgebrochen zu sein: Laut Financial Times Deutschland (FTD) können 400 Wissenschaftler demnächst ihre Latexüberzieher in den Restmüll schnalzen.

Für ein "mittelgroßes Pharmaunternehmen" bräuchte man andere Strukturen, ließ der Vorstand für Innovation & Technologie Udo Oels in derselben Zeitung verlauten. "Andere Strukturen" meint wohl vor allem weniger Arbeitskräfte. Damit ist auch geklärt, was Oberboss Werner Wenning (Foto: Bayer) meint, wenn er auf www.bayer.de "Wir wollen ein neues Bayer schaffen" verkündet.

In Wuppertal fängt er schon mal an damit und streicht demnächst jede Menge Stellen. Dabei wähnten sich die Wuppertaler Bayeraner in relativer Sicherheit: Erst vor wenigen Monaten hatte der Konzern zwei der bis dahin vier Forschungsstätten schließen lassen: Kioto (Japan) machte die Schotten dicht, ebenso Bayers Biotech-Headquarter im kalifornischen Berkeley (Slogan: "We focus on the application of cutting-edge technologies for discovering, developing, and producing protein therapeutics and gene therapy").

Da waren's nur noch zwei

Blieben noch zwei: Die 1979 erworbene Forschungs- und Fertigungsstätte in West Haven (USA), wo kürzlich jedoch ebenfalls 430 Jobs kippten. Sowie eben Wuppertal, das vor kurzem vom Hauptsitz Leverkusen sogar die Rolle der Pharmazentrale übertragen bekam. Derzeit arbeiten an der Wupper rund 3000 Angestellte, davon 1400 in Forschung und Entwicklung sowie 1600 in der Produktion. Bald werden's 500 weniger sein, laut dem von der FTD zitierten Innovationsvorstand Udo Oels stünden (nicht näher bezifferte) "Anpassungen" an. Gefährdet sind damit 400 Stellen in der Forschung und 100 in der Produktion.

Laut FTD würde firmenintern befürchtet, Bayer könnte Wuppertal sogar ganz schließen. Das aber habe der "Leiter Division Pharma" Wolfgang Plischke dementiert. Ein solcher Schritt wäre auch schwer vermittelbar, denn Bayer will sich "zukünftig auf die Bereiche Gesundheit, Ernährung und hochwertige Materialien konzentrieren" (O-Ton Konzernstrategie). Wie das, bei trockener Pipeline und nochmal 400 Forschern weniger klappen soll, muß Inovationsvorstand Oels erst noch erläutern.

Bayer stark eingeschrumpft

Dabei war Wennings Schrumpfkur in der Finanzwelt zuletzt in höchsten Tönen gelobt worden: Der Teilkonzern Bayer Chemicals sowie Teile des Polymergeschäfts von Bayer MaterialScience sollen Anfang 2005 unter dem Kunstnamen "Lanxess" als neues Unternehmen an die Börse gehen. Rest-Bayer besteht damit noch aus der HealthCare AG, der CropScience AG sowie der MaterialScience AG. Der Bayer-Aktie tat's gut: In der zweiten Jahreshälfte 2004 kam sie immerhin um 20 Prozent voran.

Bayers stolzer Slogan: "Science for a better life" hingegen dürfte einigen Wuppertalern wie blanke Ironie in den Ohren klingen. Denn für 500 von ihnen stimmt er nicht mehr.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 29.11.2004