Editorial

Optogenetik für Pflanzen

Pflanzen brauchen Licht zum Leben. Ein Licht-gesteuertes Genexpressionssystem für Pflanzen klingt daher unsinnig. Oder doch nicht? Freiburger Forscher bauten nach dem Legoprinzip ein Expressionssystem, das über einen Rezeptor für rotes Licht gesteuert wird.
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(2. Februar 2014) Nicht nur zur Funktionsanalyse von Genen und Proteinen ist es unerlässlich, ein vernünftiges induzierbares Expressionssystem zu haben. Solche Systeme sind auch sehr nützlich für die gentechnische Produktion von pharmazeutischen und anderen Substanzen. Für gewöhnlich nutzt man zur Induktion der Genexpression Chemikalien, neuerdings aber auch Licht. Lichtschalter haben den Vorteil, dass man das Signal zeitlich wie räumlich exakt kontrollieren kann. Solche optogenetischen Systeme ermöglichten beispielsweise der Hirnforschung rasante Fortschritte. Kein Wunder, dass die Zeitschrift Nature die Optogenetik zur Methode des Jahres 2010 gewählt hatte.

Nun ist es im Hirn eines Säugers immer dunkel und ein künstlich erzeugter Lichtblitz kann dort gut als Trigger für AN oder AUS eines Genexpressionssystems genutzt werden. Pflanzen aber sollten den halben Tag im Licht stehen. Ein Gen mit Licht anzuschalten, wäre ein Leichtes. Wie aber soll man tagsüber ein durch Licht induzierbares Transgen einer Pflanze auf AUS schalten können?

Phytochrom als Lichtschalter

Konrad Müller und Mitarbeiter verschiedener Arbeitsgruppen der Universitäten Freiburg, Zürich, Lausanne und Szeged versuchten es mit dem Photorezeptor Phytochrome B (PhyB). Phytochrome kontrollieren viele Entwicklungsprozesse der Pflanze, wie die Keimung, Photomorphogenese der Keimlinge, Vermeidung von Schatten und die Bildung von Blüten. Der Rezeptor besteht aus zwei Domänen: Der N-Terminus bindet das Chromophor Phytochromobilin und stellt somit den lichtempfindlichen Teil des Rezeptors. Die C-terminale Domäne ist die regulatorische Einheit namens PIF6.

Nun kommen in Pflanzen zwei Formen des PhyB vor: die biologisch aktive Form PFR und die inaktive Form PR. Licht – und das muss nicht unbedingt Tageslicht sein, es reicht schon ein Photon rotes Licht (660 nm) – verwandelt die inaktive in die aktive Form. PFR kann auch wieder inaktiviert werden, entweder durch das Fehlen von Licht (nachts) oder durch dunkelrotes Licht (740 nm).

Prinzip Lego

Die Forscher stellten aus verschiedenen, bereits bekannten genetischen Bauteilen ein durch Licht schaltbares Expressionssystems her und testeten es zunächst an Säugerzellen. Dafür produzierten sie erst einmal zwei Vektoren.

1. Einen so genannten Split Transkriptionsvektor: Er enthält zwei Funktionseinheiten (Cistrons). Auf dem ersten Cistron sitzt der N-terminale Teil des PhyB-Gens vor einer VP16-Domäne und im zweiten Cistron ist der C-Terminus des PhyB-Gens, also die PIF6-Domäne, an TetR, den Tetracyclinrepressor, gekoppelt.

2. Der Reporter-Vektor enthält mehrere hintereinander geschaltete TetR-spezifische Operons vor einem Reportergen.

In der Theorie sollten mit diesen Vektoren transfizierte Säugerzellen wie folgt reagieren: Im langwelligen Rotlicht bilden N- und C-Termini des Photorezeptors ein Heterodimer – das ist die aktive Form PhyFR. Dieses Dimer wird über den Tet-Repressor an die Tet-Operons auf dem Reportervektor gebunden. Das VP16-Peptid, das Moleküle zum Start der Transkription rekrutiert, sorgt dafür, dass das Reportergen transkribiert wird. Gibt man der Zelle jetzt aber einen Blitz dunkelrotes Licht, zerfällt das Phytochromheterodimer zu seiner inaktiven Form, dadurch entfernt sich das VP16-Peptid vom Promotor des Reportergens und dessen Transkription stoppt sofort.

Auf die Wellenlänge kommt's an

Hat es funktioniert? Wie am Schnürchen. Die von den Forschern mit Köpfchen und Geschick kombinierten Bauteile waren übrigens lange bekannt. TetR/TetO ist ein vielfach verwendetes, induzierbares Expressionssystem namens Tet-Off. Die VP16 transaktivierende Domäne ist Bestandteil vieler Transkriptionsfaktoren von Säugetieren – auch lange bekannt. Das PhytochromB-Gen kennt man ebenso wenig erst seit gestern wie verschiedene andere Teile der Vektoren, etwa den SV40 Promotor, den Minimalpromotor oder das Nuclear Localization Signal (NLS).

Dass das System in Pflanzen und auch im Tageslicht funktioniert, dokumentierten Müller et al. nun in ihrem Folgepaper. Allerdings nahmen sie ein paar Verbesserungen vor. Statt des TetR/TetO-Paares verwendeten sie ein Genexpressionswerkzeug, das auf das Antibiotikum Erythromycin reagiert, im Prinzip aber wie das Tet-System mit einem Repressor auf Vektor 1 und mehreren Operons auf Vektor 2 funktioniert. Diese Kombination aktivierte die Transkription des Reportergens – hier eine Luciferase – in Tabakprotoplasten um ein Vielfaches besser als das Tet-System. Das System reagierte vorschriftsmäßig auf Rotlicht: starke Luminiszenz bei Beleuchtung mit 660 nm Licht. Belichtung mit 740 nm stoppte die Expression des Luziferasegens.

Licht an, Transgen aus

Die entscheidende Frage war aber: wie reagiert die Pflanze auf Tageslicht, auf Hell-Dunkel-Rhythmus? Antwort: sie reagierte wie erwartet! Bei Tageslicht transkribierten die Protoplasten das Reportergen. Beleuchtete man aber zusätzlich mit inaktivierendem Licht (also 740 nm), wurde die Expression des Transgens unterbunden. Nun überführen Pflanzen natürlicherweise das PhytochromB auch im Dunkeln in seine inaktive Form – und auch diese biologische Funktion erfüllte das Genexpressionssystem, allerdings war die Reduktion der Luminiszenz durch Dunkelheit langsamer als durch dunkelrotes Licht.

Und wozu braucht man nun ein solches Licht-schaltbares Expressionssystem? Etwa um physiologische Prozesse in der Pflanze zu analysieren. Oder zur Produktion von Biopharmazeutika durch Pflanzenzellen in Bioreaktoren. Ein Chemikalien-freies induzierbares Expressionssystem wäre sehr erwünscht, um die Produktion von potenziell cytotoxischen Proteinen steuern zu können, schreiben die Forscher. Und prima wäre es auch, die Produktion transgener Proteine zeitlich regulieren und damit die biosynthetische Kapazität der Pflanzenzellen optimal nutzen zu können. Will heißen: nachts – im Dunkeln – dürfen die Zellen „ausruhen“, im Licht sollten sie schuften.

Optogenetik im Blasenmützenmoos

Den Überlegungen ließen die Forscher Taten folgen. Zunächst zeigten sie, dass sie mit ihrem Expressionssystem die Reaktion von Tabakprotoplasten auf exogenes Auxin steuern können. Dann testeten sie die Vektoren an ihrem Arbeitstier, dem kleinen Blasenmützenmoos Physcomitrella patens. Die Mooszellen taten, was man ihnen eingeimpft hatte. Das Reportergen war induzierbar, sowie die transgenen Zellen beleuchtet wurden, und ließ sich durch langwelliges Rotlicht auch wieder ausschalten. Das Expressionssystem funktionierte nicht nur mit dem Reportergen. Auch die Produktion des menschlichen Wachstumsfaktors VGEF ließ sich durch Licht steuern.

Sie funktioniert also, die Optogenetik in Pflanzen. Man darf gespannt sein, ob und wie diese Vektoren zum Einsatz kommen werden.

 


Karin Hollricher






Fotomontage:

Abb.  Lampe von T. Grappa, Lizenz: creative commons share alike/attribution

 Abb.  Moos-Bioreaktor : Eva Decker, Lizenz: creative commons share alike/attribution

(beide via Wikipedia)



Letzte Änderungen: 27.03.2014