Editorial

Quadratisch, praktisch, gut...

Diese Idee, die "Ritter Sport" einst für ihre Schokoladentafeln entwickelte, kennt die Natur schon lange. Sehr lange. Holländische und australische Mikrobiologen konnten die quadratischen Archaebakterien nun auch endlich kultivieren.

(14.10.2004) Bereits 1980 fand der englische Mikrobiologe Anthony Walsby die halophilen Winzlinge in einem Salztümpel nahe des Roten Meeres. Perfekt quadratisch waren die Zellen, dazu extrem flach und lagerten sich überdies wie in einem Mosaik Kante an Kante zusammen. Nur mit harten molekularen Daten konnte Walsby damals die vielen Zweifler letztlich überzeugen, dass so etwas Seltsames überhaupt lebt.

Zumal weder er noch andere die absonderlichen Zellen seitdem kultivieren konnten. "Unvermehrbar" war daher das vermeintliche Schlusswort vieler Mikrobiologen.

Das letzte Wort in dieser Angelegenheit sprechen nun allerdings zwei Teams um Mike Dyall-Smith in Melbourne sowie um Henk Bolhuis in Groningen: In zwei Publikationen beschreiben sie unabhängig voneinander, wie es ihnen gelang Reinkulturen der Quadrat-Mikroben zu erhalten (Burns D.G. et al. , FEMS Microbiology Letters 238, S. 469-473, sowie Bolhuis H. et al., Environmental Microbiology, Online early-Publikation.).

Der Trick war bei beiden Gruppen der gleiche: eine sehr salzige Fastenkur. Mit der Salzkonzentration mussten die Forscher hoch auf über 30 Prozent, mit den Nährstoffen ganz weit runter - nur dann wurden die kleinen Salzliebhaber nicht von anderen Bakterienarten überwuchert. Denn sie selbst wuchsen extrem langsam: Alle ein bis zwei Tage teilte sich ein "Zellquadrat".

"Sie sehen aus wie Briefmarken", beschreibt nun Henk Bolhuis seine neuen Labor-Mitbewohner. Und in der Tat, bei einer Kantenlänge von 2 bis 5 Mikrometern, werden sie nur 0,1 bis 0,5 Mikrometer dick - die unterste Grenze für eine lebende Zelle, da sonst deren übliche Bestandteile nicht mehr hineinpassen würden. Allerdings, so Bolhuis, hätten die Zellen auf diese Weise im Verhältnis zum Volumen eine sehr große Oberfläche, was dem Stoffaustausch mit der Umwelt nur zugute käme.

Die Halophilen-Gemeinde jedenfalls jubelt über die Ergebnisse. Die Türe sei jetzt endlich geöffnet um den Stoffwechsel von Mikroben besser zu studieren zu können, die supersalzige Ökosysteme bewohnen - so hoffen sie jedenfalls. Und Bolhuis spricht gar schon von einem Genomprojekt.

Doch zuvor müssen noch einige Formalien geklärt werden. Taxonomen müssen prüfen, ob die "Quadrate" wirklich nur eine Art bilden, ob diese sich womöglich aus verschiedenen Stämmen zusammensetzt, oder ob sich dahinter gar mehrere Spezies verbergen.

Und dann braucht das Kind noch einen Namen. Den hat "Walsbys quadratisches Archaeon", wie man es nur nannte, nämlich bis heute nicht. Haloquadratum walsbyi schlagen die Holländer vor, Haloquadra die Australier. Vor kurzem sollen sie sich auf einem Meeting getroffen haben - und wollen sich nun untereinander auf einen Namen einigen.

Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 24.10.2004