Editorial

Münchner Resteverwertung

MediGene hat eingekauft: Den kürzlich pleite gegangenen bayerischen Nachbarn Munich Biotech (MBT).

(15.08.2004) Das Martinsrieder Biotech-Unternehmen Medigene hat uns am vergangenen Freitag nach Börsenschluß mit einer Ad Hoc-Meldung beglückt. Darin steht - in verklausuliertem Kauderwelsch: Medigene kauft Munich Biotechs Firmenreste.

Danach jubelt MediGene über zusätzliche "500 Millionen Euro Umsatzpotenzial" und eine "Erweiterung der Medikamentenpipeline" und macht Andeutungen darüber, wie schön doch jetzt erfolgreiche klinische Studien wären.

Was der Aufkauf von MBT konkret bedeutet und ob das nun gut oder schlecht für MediGene ist, muß sich der Leser allerdings selbst zusammenreimen. Wie man es halt gewohnt ist bei Ad Hoc-Meldungen eines ehemaligen Unternehmens vom Neuen Markt.

Munich Biotech (MBT), gegründet 1998, insolvent 2004, ist (beziehungsweise war) eine der größeren deutschen Biotechfirmen. Knapp 70 Mitarbeiter experimentierten im Münchener Vorort Neuried bis vor kurzem mit Krebspräparaten, die Tumoren die Blutversorgung abschneiden sollen. Damit war MBT im Dunstkreis "Anti-Angiogenese" tätig - ein viel versprechendes Forschungsthema, zu dem das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) allerdings auf seiner Website meint: "Ein Ersatz für eine geprüfte Behandlung wie die Behandlung mit Zellgiften sind Angiogenesehemmer bisher auf keinen Fall."

MBT hatte drei Präparate in der Entwicklung (u.a. MBT-0206 in der klinischen Phase II; MBT-0312 in Phase I). Diese zerstören neu gebildete Blutgefäße von Krebsherden ("Anti-Neovascular Cytotoxics"). Größter Vorteil dabei: Eine Behandlung mit den MBT-Mitteln erzeugt angeblich keine Resistenz gegen das Präparat, was Langzeittherapien ermöglichen könnte; zudem seien die Nebenwirkungen "gering". Trotzdem bekam MBT zuletzt enorme finanzielle Probleme, nachdem sich Ende Mai Investoren (u.a. Deutsche Bank, HBV und Oppenheim) verabschiedet hatten und Verhandlungen mit einem US-Unternehmen erfolglos geblieben waren. 60 Millionen Euro hatte MBT bis dahin verbraten; alle Mitarbeiter haben Anfang August ihre Kündigung erhalten.

Verzweifelte Suche nach neuen Studien-Kandidaten

Mit MediGene steht nun ein möglicherweise nicht völlig ungeeigneter neuer Firmenpapa auf der Matte. MediGene versucht wie MBT, Antikrebspräparate zu entwickeln und sollte sich somit im Geschäft auskennen. Zudem brauchen die Martinsrieder, nachdem sich fast ihre gesamte Präparat-Pipeline in Luft aufgelöst hat, dringendst wieder Arzneimittelkandidaten, um die stirnrunzelnden Anleger bei der Stange halten zu können.

Medigene glänzte bisher mit Misserfolgen: Zwar brachte die Firma kürzlich ihr erstes Medikament (Eligard) auf dem Markt, was überschwänglich als große Sensation gefeiert wurde. Allerdings wurde Eligard von der US-Firma Atrix entwickelt; den Vertrieb erledigt der japanische Konzern Yamanouchi. Die Erlöse kassieren somit hauptsächlich andere. Über die mit Eligard erwirtschafteten Gewinne schweigt sich MediGene zudem aus, was vermuten lässt, das diese recht gering sein dürften. Fast alle anderen Projekte der einstmals "stolzesten deutschen Biotech-Pipeline" haben gefloppt (Etomoxir, CLVP, G207, rAAV), das Polyphenon-Projekt (Grüner Tee-Extrakt gegen Genitalwarzen) zieht sich hin und wird (da wie Eligard einlizenziert) ebenfalls nur geringe Umsätze bringen.

Viel Phantasie und Gottvertrauen nötig

Mit der Phantasie aus MBTs Krebsmittel-Kandidaten könnte sich MediGene aber tatsächlich erstmal über die nächsten Jahre hinweg retten. Ein Konsortium von Altinvestoren bringt MBT-0206 sowie andere noch verwertbare MBT-Projekte (Ad Hoc: "wesentliche Vermögensanteile") sowie 4 Millionen Euro mit, dafür tritt MediGene Aktien im Wert von 12,5 Mio. Euro (entspricht 12,7 % an MediGene) an dieses Konsortium ab. Nach bisherigen Planungen sollte MBT-0206 im Idealfall bereits Ende 2006 auf den Markt kommen. Die 28 Millionen Euro, die noch in MediGenes Kriegskasse liegen, reichen jedoch kaum mehr für die demnächst anstehende Phase III-Studie aus. Probleme über Probleme ...

Was geschieht nun aber mit den bisherigen MBT-Mitarbeitern? Hauke Fürstenwerth, der Interims-Boss von Munich Biotech, sagte im Münchner Merkur vom 13.08: "Bekäme das deutsche Angebot den Zuschlag, so sehe ich auch für einen Teil der bisherigen Mitarbeiter eine neue Perspektive."

Es wird interessant sein zu erfahren, wie diese nun aussehen wird.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 16.08.2004