Editorial

RNA-Moleküle sind schuld am Sonnenbrand

Konformationsänderungen in Doppelstrang-RNA lösen die Entzündungsreaktion aus

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(2. August 2012) Fast jeder kennt das Problem: Nach wochenlangem Regen locken endlich wieder Sonnenstrahlen, wer kann, eilt nach draußen, vergisst bei aller Euphorie die Sonnencreme und bekommt abends die Quittung: Rote Nase, schmerzende T-Shirt-Abdrücke und im schlimmsten Fall sogar Schwellungen oder Fieber. Jetzt haben Forscher der University of California in San Diego herausgefunden, woran das liegt: Kleine nukleäre RNA-Moleküle sind für die unangenehmen Hautreaktionen verantwortlich.

Während die aggressive UV-B-Strahlung wegen ihrer DNA-schädigenden Wirkung schon lange als Risikofaktor für Hautkrebs bekannt ist, wusste man über die molekularen Mechanismen, die Rötungen und Schwellungen beim Sonnenbrand verursachen, bislang nichts. In vielen Einzelversuchen ist es den Forschern um Richard Gallo und Jamie Bernard von der Abteilung für Dermatologie der University of California nun gelungen, die komplexe Reaktionskette zu verstehen:

Hauptverantwortlich für die Symptome sind die Cytokine Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und Interleukin-6 (IL-6). TNF-α ist unter anderem für die Steuerung der Apoptose verantwortlich; zudem fördert es, ebenso wie IL-6, Entzündungsreaktionen. Die Produktion der beiden Proteine wird durch small nuclear RNAs (snRNAs) stimuliert. Diese nicht-codierenden RNA-Moleküle enthalten doppelsträngige Abschnitte, die durch die Bestrahlung mit UV-B-Licht verändert werden. Gibt man die so geschädigten Moleküle zu unbestrahlten Haut- oder Blutzellen, reagieren diese mit verstärkter Produktion von TNF-α und IL-6. Die Reaktion kann inhibiert werden, wenn außer den geschädigten RNA-Molekülen auch eine RNase zugesetzt wird.

Neben den beiden Cytokinen identifizierten Gallo und Bernard noch einen weiteren wichtigen Faktor in der Reaktionskette: Der Toll-Like-Rezeptor 3 (TLR3) erkennt als sogenanntes Pattern- Recognition-Molekül doppelsträngige RNA und wirkt als Regulationsfaktor auf TNF-α und IL-6. In TLR3-Knockout-Zellen ist die Produktion der Entzündungsfaktoren inhibiert. Auch in vitro zeigten die kleinen RNAs ihre Wirkung: Die Forscher injizierten Mäusen snRNA aus Hornhautzellen, die zuvor mit UV-B-Licht bestrahlt worden waren. Die Tiere entwickelten daraufhin einen klassischen Sonnenbrand mit Hautrötungen und Schwellungen, obwohl sie niemals Sonnenlicht ausgesetzt waren.

Um ihre Beobachtungen zu bestätigen, nutzten die Dermatologen Next-Generation-Whole-Transcriptome-Shotgun-Sequencing, eine Methode, mit der spezifische Veränderungen in der RNA entdeckt werden können: Durch UV-B-Strahlung ausgelöste Änderungen der Sekundärstruktur können durch eine veränderte Häufigkeit der Sequenz-Abschnitte (reads) erkannt werden. Der Vergleich mit unbestrahlter RNA zeigte Veränderungen in den spezifischen Domänen verschiedener snRNAs. Diese enthalten sogenannte Haarnadel-Strukturen (stem-loops), die Doppelstrang-RNA ausbilden und so den Toll-Like-Rezeptor TLR3 aktivieren können.

Schäden in nicht-codierender RNA, sind also zumindest teilweise für die Entzündungsreaktion bei einem Sonnenbrand verantwortlich. Zwar können auch weitere Moleküle wie Telomere zur Entzündungsreaktion beitragen, die direkte Produktion der Entzündungsfaktoren TNF-α und IL-6 wird aber vermutlich in erster Linie durch die beschädigten RNA-Moleküle induziert. Die Forscher setzen große Hoffnungen in ihre Entdeckung: RNAs könnten als Biomarker von UV-B-induzierten Verletzungen genutzt werden. Außerdem könnten die RNAs als Alternative zur Lichttherapie zum Einsatz kommen oder Lichtallergien durch die gezielte Blockierung der RNA-Erkennungsmechanismen behandelt werden.


Andrea Perino
Bild: kallejipp / photocase.com



Letzte Änderungen: 16.08.2012
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