Editorial

Kuschelweicher Raubsaurier

Hatten möglicherweise alle Dinosaurier Federn?

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(10. Juli 2012) Hatten Dinosaurier Schuppen, oder waren sie gefiedert wie Vögel? Forscher von den Geo- und Umweltwissenschaften der LMU München und der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie, allen voran der Paläontologe Oliver Rauhut, untersuchten mit US-Kollegen den Abdruck eines jungen, gefiederten Raubsauriers im feinen Plattenkalk der Frankenalb. Mit dem Ergebnis, dass er die Entwicklungsgeschichte der Saurier auf den Kopf stellen könnte.

Der sehr junge, wohl gerade geschlüpfte Raubsaurier Sciurumimus albersdoerferi lebte vor etwa 150 Millionen Jahren im fränkischen Jura und wurde bereits 2009 oder 2010 im Rygol-Steinbruch bei Painten gefunden. Der Abdruck des 70 Zentimeter großen Sauriers – in ausgewachsenem Zustand hätte er womöglich um die fünf Meter lang werden können – ist nahezu komplett, es fehlen nur wenige Knochen von der Schwanzspitze. An einigen Stellen des Körpers des Saurier-Jungen sind unter UV-Licht feine Abdrücke von Federflaum zu erkennen, der wahrscheinlich den ganzen Körper bedeckte. Besonders am Schwanz hatte er buschigen Flaum, was ihm den lateinischen Gattungsnamen Sciurumimus – „Eichhörnchen-Nachahmer“ – einbrachte (Rauhut et al., Proc Natl Acad Sci 2012 [Epub ahead of print], doi: 10.1073/pnas.1203238109).

Nun ist der Fund eines gefiederten Dinosauriers an sich noch keine Sensation. Man kennt beispielsweise Archaeopteryx, auch die Gattungen Caudipteryx oder Sinosauropteryx trugen Federn. Allesamt gehören sie aber den Coelurosauriern an, einer Gruppe, die weit oben im Stammbaum der Theropoda, der sich auf zwei Beinen fortbewegenden Raubsaurier, abzweigt. Zu den Coelurosauriern zählen auch die heute lebenden modernen Vögel. Der nun neu beschriebene Sciurumimus gehört taxonomisch zu den Megalosauridae, die sehr weit unten in der Gruppe der Theropoda abzweigen. Bisher hatte man keine Anhaltspunkte dafür, dass Federn auch schon bei den basalen Theropoda auftraten.

Sciurumimus hilft nun eine phylogenetische Lücke zu schließen: die teils gefiederten Theropoda gehören zur Entwicklungslinie der Echsenbeckendinosaurier (Saurischia). Daneben stehen die Vogelbeckendinosaurier (Ornithischia), bei denen man vielfach filamentöse Strukturen auf der Haut entdeckt hat. (Die modernen Vögel stammen allerdings von den Echsenbeckendinosauriern ab!). Sciurumimus mit seinen flauschigen Daunen könnte ein Bindeglied zwischen beiden Gruppen sein, die Federn der Echsenbeckendinosaurier und die Filamente der Vogelbeckendinosaurier somit homologe Strukturen. Unklar ist allerdings, ob Sciurumimus die Federn nur als Jungsaurier, zum Beispiel zum Schutz vor Kälte, trug oder die adulten Exemplare auch gefiedert waren.

Ob die großen Raubsaurier eigentlich viel knuffiger waren, als man sie sich bisher vorgestellt hat? Was von dem fluffigen Sciurumimus albersdoerferi bis heute übrig blieb, kann man derweil im Bürgermeister Müller Museum Solnhofen bestaunen.


Valérie Labonté
Bild: Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie



Letzte Änderungen: 20.07.2012
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