Editorial

Medigene erstaunt mit schwarzen Zahlen

Nach einem gefühlten Vierteljahrhundert in tiefroten Zahlen verlässt die Martinsrieder Firma fürs erste den Club der Schuldenmacher. Es dürfte nur ein kurzes Intermezzo werden.

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Gewinnt Medigene auch 2012?

(5. August 2011)  Bisher war der Name Medigene ein Garant für solide, erstklassige Verluste. Doch nun bricht die Martinsrieder Firma, die Medikamente gegen Krebs und Autoimmunerkrankungen entwickelt, kurzfristig mit ihrer eigenen Tradition: In den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahrs 2011 hat sie doch tatsächlich einen Nettogewinn von 14,4 Millionen Euro erzielt.

„Nettogewinn", welch ungewohntes Wort. Bisher war so etwas im oberbayerischen Unternehmen verpönt; 2010 hatte Medigene noch anständige 3,3 Millionen Euro Verlust bewerkstelligt. Das ständige Verplempern eigener und fremder Geldreserven ist jedoch nicht passé: Der Barmittelbestand stieg zwar zwischen Jahresbeginn und Jahresmitte von 4,8 auf 15,9 Millionen Euro – doch monatlich verbraucht Medigene noch immer Barmittel im Wert von einer Million Euro.

In den letzten Monaten haben die Medigene-Manager eine Reihe kleiner, aber eben doch dem Geschäft dienlicher Partnerschaftsvereinbarungen geschlossen. In aller Herren Länder wird die aus Grünem Tee hergestellte Genitalwarzensalbe Veregen inzwischen vermarktet, zuletzt kamen Marketing-Abkommen für Frankreich, Rumänien, Bulgarien, Mexiko, Zentralamerika, Venezuela, Kolumbien, die Benelux-Staaten, Kanada und Taiwan hinzu. In Spanien wurde unlängst die Marktzulassung erteilt, in Österreich ist Veregen seit Juni 2011 durch Krankenkassen erstattungsfähig.

Trügerische Zahlen

Trotz aller Begeisterung: Die auf den ersten Blick anständigen Umsätze der Firma (knapp 30 Millionen Euro in den ersten sechs Monaten 2011) sind trügerisch. Denn nachhaltig und längerfristig wird Medigene fürs Erste nur mit den Veregen-Einnahmen rechnen können – und die sind winzig: Nur eine knappe Million Euro brachte der Grüne-Tee-Extrakt in die Kasse (Produktumsätze und Lizenzeinnahmen in den USA, Deutschland und Österreich).

Der überwiegende Rest des Umsatzes stammt aus einmaligen Meilensteinzahlungen (Medigene hatte 2010 die Vertriebs- und Vermarktungsrechte am Krebsmedikament Eligard an die britische Pharmafirma Astellas verkauft). Und diese Einnahmen werden künftig weitgehend ausbleiben. Immerhin rechnet Medigenes Finanzchef Arnd Christ fürs Gesamtjahr 2011 mit schwarzen Zahlen (10 bis 16 Mio. Euro) und einem Gesamtumsatz von 32 bis 38 Millionen Euro.

Doch 2012, spätestens 2013 dürfte die Champagnerlaune verflogen sein. Außer, es findet sich doch noch ein finanzstarker Interessent, der das potenzielle Krebsmedikament Endotag kaufen, weiterentwickeln und vermarkten möchte. Mit dem gehen die Medigene-Vorstände schon seit einigen Monaten hausieren. Bisher erfolglos.


Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 04.03.2013