Editorial

Genetisch isoliert

In dem Schweizer Fluss Birs sind die Äschen durch künstliche Bauwerke in zwei genetisch voneinander getrennte Gruppen geteilt. Ob die Population dadurch in Gefahr ist, untersuchten Forscher der Uni Basel.

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Wasserkraftwerk an der Birs bei Münchenstein

(13. Januar 2011) Auf der Roten Liste der gefährdeten Fischarten in der Schweiz stehen die Europäischen Äschen (Thymallus thymallus) in der mittleren Kategorie „gefährdet“ („VU“ für „vulnerable“). In der Birs könnte es für sie nun richtig eng werden. Denn die sogenannten Kurzdistanzwanderfische können zur Paarungszeit im Frühling nicht mehr flussaufwärts ins kühlere Wasser wandern, weil zu viele Staustufen, beispielsweise kleine Wasserkraftanlagen, im Weg sind und es keine Fischtreppen gibt.

Die Evolutionsbiologen Pascal Vonlanthen und Walter Salzburger von der Uni Basel wollten mit ihrer Studie herausfinden, welche Äschenstämme in der Birs vorkommen und ob die Zerstückelung des Flusses durch die Staustufen den genetischen Austausch behindert und damit den Fortbestand der Population gefährdet. Dazu nahmen sie, mit Hilfe von Freiwilligen der Fischereipachtvereinigung Laufen, aus zehn Streckenabschnitten der Birs DNA-Proben von 128 Äschen, die sie danach wieder frei ließen.

Anhand der Mutationsrate der Mitochondrien-DNA erstellten die Forscher einen phylogenetischen Stammbaum über die ursprüngliche Herkunft der Birs-Äschen. Demnach leben heute in der Birs zwei große, genetisch stark voneinander verschiedene Äschenpopulationen: Bei Basel, in der Birs-Mündung zum Rhein, kommen die Rhein-Äschen vor. Sie stammen von in der Birs heimischen Äschen ab. Flussaufwärts, im Kanton Basel-Landschaft, leben die Baselbiet-Äschen, die von eingeführten Fischen aus dem westschweizerischen Fluss Doubs abstammen. Von dort setzten Fischer bis Ende der 1990er Jahre Äschen zur Bewirtschaftung in die Birs ein.

Die Baselbiet-Äschen pflanzen sich in den oberen Birs-Abschnitten natürlich fort, können sich aber weiter unten an der Mündung nicht gegen die Rhein-Äschen durchsetzen. Die Forscher gehen davon aus, dass zwar immer wieder Baselbiet-Äschen, beispielsweise bei Hochwasser, an die Flussmündung gelangen, dass die heimischen Rhein-Äschen aber einen selektiven Vorteil haben. Die Rhein-Äschen wiederum können aus dem unteren Flussabschnitt nicht in die Birs aufsteigen, weil sie die Staustufen nicht überwinden können. Zwischen den beiden großen Populationen findet kein genetischer Austausch statt.

Den Verwandtschaftsgrad der einzelnen Teilpopulationen innerhalb der Staustufen bestimmten die Forscher mit Mikrosatelliten-Markern. Mikrosatelliten sind kurze, nicht-kodierende, repetitive DNA-Sequenzen. Wegen ihrer hohen Mutationsrate eignen sie sich um Unterschiede im Erbgut zu finden, die nur wenige Generationen zurück liegen. Denn die letzten drei bis vier Generationen der Baselbiet-Äschen entwickelten sich in den vergangenen zehn Jahren, ohne dass neue Äschen – weder aus dem Rhein, noch aus dem Doubs – dazukamen.

Die Auswertung zeigt, dass die Äschen aus den unteren Streckenabschnitten nicht in die oberen aufsteigen können. Bei den Baselbieter Jungfischen bemerkten die Forscher einen „Familieneffekt“: Die Jungen stammen nur von wenigen Elterntieren ab, es findet demnach kaum genetische Durchmischung zwischen den Teilpopulationen statt. Ein „Flaschenhalseffekt“ ist in der Äschenpopulation bisher nicht aufgetreten, denn die genetische Vielfalt hat sich in dieser relativ kurzen Zeit kaum verringert. Lediglich im obersten Streckenabschnitt bei Liesberg ist sie geringer als flussabwärts. Trotzdem ist die Fitness und damit das Überleben der Äschen in der Birs durch die Zerstückelung des Flusses gefährdet, da auf lange Sicht die Vermischung zwischen den Teilpopulationen fehlt und Inzucht droht.

Um das zu verhindern, wollen die Forscher in einer nächsten Studie die genauen baulichen Ursachen finden, die die Äschen davon abhalten die Birs hoch zu wandern. Vor allem die heimischen Rhein-Äschen würden dringend benötigte neue Allele mitbringen – zur Not auch über Fischtreppen, sofern es welche gäbe.               
                                     
Kontakt: http://www.evolution.unibas.ch/salzburger/


Valérie Labonté

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Letzte Änderungen: 04.03.2013