Editorial

Kresse versus Krebs

„Nahrungsmittel, die Ihr Leben verlängern!“ Ganze Bücher werden darüber geschrieben. Wenn man den Medien glauben darf, wird fast jede Woche ein neues natürliches Wundermittel gegen Krebs gefunden.

 

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Diese Woche kommt die Brunnenkresse (Nasturtium officinale) zum Zug, die sonst im Supermarkt eher ein etwas mauerblümchenartiges Dasein fristet. Etwas unpassend, denn dem Pflänzlein wird laut Wikipedia unter anderem auch eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt!

 

Aber zurück zum Krebs. Wissenschaftler der Uni Southampton in England holten sich in einer Pilotstudie ein paar ehemalige Brustkrebspatientinnen ins Labor und verköstigten sie mit einer Frühstücksschale voll mit dem vermeintlich lebensrettenden Kreuzblütengewächs. Nun sollte der sekundäre Pflanzenstoff Phenethylisothiocyanat seine Wirkung tun. Und tatsächlich, er verringerte die Phosphorylierung eines Translationsregulators namens 4E-binding protein 1 (4E-BP1) in mononukleären Zellen der Teilnehmerinnen. 4E-BP1 wiederum beeinflusst die Aktivität des Transkriptionsfaktoren Hypoxia Inducible Factor (HIF), welcher an der Vaskularisierung von Tumoren beteiligt ist.

 

Klingt ganz nett, aber ein direkter Einfluss vom Kresse-Essen auf das HIF-Signal, wie die meisten Berichte vermuten lassen, konnte nicht gezeigt werden. Außerdem war die Probengröße derart gering (4 Damen), dass man keine endgültigen Rückschlüsse ziehen konnte („Although further investigations with larger numbers of participants are required to confirm these findings“).

 

Medial aufgebauscht wurde die Studie aber allemal. Also mal wieder viel Lärm um nichts?? Interessanterweise, und das erinnert sehr an diverse Homöopathie Studien, kam die finanzielle Unterstützung für diese Studie von der „Watercress Alliance“, der die größten Kresseproduzenten in England angehören. Eines Kommentars bedarf es hier wohl nicht...

 

Ebenso kommt einem dabei eine andere Studie namens EPIC in den Sinn. EPIC steht für European Prospective Investigation into Cancer and Nutritio und ist eine großangelegte Studie mit einer halben Million Teilnehmer aus zehn europäischen Staaten. Unter ganz neutraler Förderung, nämlich von der Europäischen Kommission, stellte diese klar, dass der Verzehr von Früchten und Gemüse keinen Einfluss weder auf das Brustkrebs- noch auf das Prostatakrebsrisiko hat. (We found that the consumption of fruit and vegetables is not associated with breast cancer risk. […] We have shown that similarly to breast cancer, prostate cancer risk is not related to fruit and vegetable consumption.)

 

Ach ja, Kresse ist ja weder Obst noch Gemüse, sondern ein Superfood!

 

Sicherlich kann man bestimmten Substanzen ihre gesundheitsfördernde Wirkung nicht abschlagen, aber ob einfacher Verzehr reicht, ernsthaften Erkrankungen vorzubeugen, ist wohl eher zweifelhaft. Gab's da nicht auch mal eine Geschichte mit Grünem Tee? Nachzulesen im Laborjournal 5/2008.

 

Kathleen Gransalke

 

  1. Alwi et al., In vivo modulation of 4E binding protein 1 (4E-BP1) phosphorylation by watercress: a pilot study. British Journal of Nutrition, 2010; 15:1-9

  2. Wang et al., Inhibition of hypoxia inducible factor by phenethyl isothiocyanate. Biochemical Pharmacology, 2009; 78 (3): 261



Letzte Änderungen: 04.03.2013