Editorial

Riskante Pflege

Eine Studie zu den Risikofaktoren für Alzheimers Demenz kommt zu dem Schluß, daß Ehegatten, die ihren an Alzheimer leidenden Gefährten pflegen, ein sechsmal höheres Risiko haben selber an Alzheimer zu erkranken als Kontrollpaare.

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(7. Juni 2010) In der Cache County (Nord Utah) Studie wurden 1221 Ehepaare im Alter von 65 Jahren und darüber untersucht. Die Studie zog sich über 15 Jahre hin. Von den entsprechenden 2442 anfangs gesunden Personen entwickelten 255 eine Alzheimer Demenz: in 125 Fällen der Mann, in 70 Fällen die Frau und in 30 Fällen beide. Alzheimerfrei blieben 996 Paare.

Die Paare, bei denen ein Partner an Alzheimer erkrankt war, wurden durchschnittlich 9 Jahre beobachtet: 5 Jahre vor der Erkrankung und 4 Jahre nach der Erkrankung. Gesunde Paare wurden einige Monate länger beobachtet.

Die Autoren von der State University Utah stellten fest, daß die Entwicklung einer Demenz signifikant assoziiert war mit: Alter, Anwesenheit von einem oder zwei Apolipoprotein E e4 Allelen und einem Partner mit Alzheimer. Für letzteren Risikofaktor, also für Personen, die mit einem dementen Ehegatten zusammenlebten, gelte ein 6-fach höheres Erkrankungsrisiko (hazard rate ratio HRR = 6). Interessante Nebenergebnisse: Männer, die ihre Ehefrau pflegten, hatten ein HRR von 12 während Frauen, die ihre Ehemänner pflegten nur eine HRR von 3,7 eingingen. Das 95% Koinzidenzintervall ist freilich so groß, daß diese Unterschiede nicht signifikant sind. Die Dauer der Ehe hatte keinen Einfluß auf das Alzheimer Risiko, wohl aber die Art der früheren Beschäftigung: Berufe mit geistigem Anspruch verringerten das Risiko an Alzheimer zu erkranken.

Man frägt sich nach den Gründen für diesen Befund eines 6-fach höheren Erkrankungsrisikos für Personen, die mir einem an Alzheimer Erkrankten zusammenleben. Ist Alzheimer übertragbar? Liegt es an den ähnlichen Lebensumständen? Oder liegt es am Stress, dem der gesunde Partner ausgesetzt ist?

In der Tat gibt es einige Hinweise auf eine Chlamydien Infektion als Ursache für Alzheimer. Bewiesen ist sie bisher nicht. Umwelttoxine - wie eine Aluminium Vergiftung - waren ebenfalls eine Zeitlang in Mode. Die Autoren scheinen jedoch der Stresstheorie zuzuneigen ohne die beiden anderen auszuschließen. In der Tat ist die Pflege eines Alzheimer Patienten ein nervenzerschleißendes Geduldsspiel, das rund um die Uhr gespielt wird, eine psychische Belastung ohnegleichen. Die Verbindung zu den biologischen Erscheinungen bei Alzheimer, z.B. den amyloiden Plaques - bleibt jedoch ein Rätsel. 

 

Hubert Rehm

Foto: Creatista/photocase.com



Letzte Änderungen: 04.03.2013