Editorial

Geneart nach USA verkauft

Überraschung an der Donau: Wie am Freitag bekannt wurde, haben die bisherigen Eigner der Regensburger Geneart AG ihre Eigentumsanteile an den US-Konzern Life Technologies verkauft.

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Geneart im Mai 2000

(12. April 2010)  Bei dieser Mitarbeiterversammlung hätte man gerne Mäuschen gespielt: Wie erklärten die Gründer und bisherigen Geschäftsführer Ralf Wagner und Marcus Graf ihren Angestellten, dass sie ihre Firma soeben an einen US-Konzern verkauft haben? Und wie wird es an der Donau weitergehen? Wird es dort überhaupt weitergehen, oder steht im Regensburger Biopark demnächst ein halber Gebäudkomplex leer und 180 Leute auf der Straße?

 

Genaue Bedingungen des Deals unbekannt

 

Bisher kann man nur darüber spekulieren, unter welchen Bedingungen der Deal über die Bühne ging und unter welchen Umständen die Gensynthese in Deutschland weitergeführt werden wird. Bekannt ist bisher Folgendes: Der US-Riese Life Technologies (3,3 Milliarden Dollar Jahresumsatz; 9.000 Mitarbeiter) hat knapp 59 Prozent der Geneart-Anteile erworben (38 Prozent von Management und Gründern, namentlich genannt wurden CEO Ralf Wagner, Vorstand Marcus Graf und Mitgründer Hans Wolf, sowie 20 Prozent von den Wagnisinvestoren). Angesichts eines Übernahmepreises von 11,59 Euro pro Aktie bezahlte LifeTech bisher etwa 30,5 Millionen Euro.

 

Die verbleibenden 41 Prozent will Life Technologies in den nächsten Wochen den bisherigen Kleinaktionären abkaufen. Die US-Firma bietet diesen sogar 13,75 Euro pro Aktie. Das ist ein Aufschlag von knapp 21 Prozent auf den Aktienkurs vom vergangenen Freitag – kurz bevor die Übernahme bekannt geworden war.

Aktuell (Dienstag) notiert die Geneart-Aktie in der Nähe dieser Offerte. Der Gesamtpreis für die Regensburger AG dürfte somit etwa 56 Millionen Euro betragen (30,5 plus 25,5 Millionen Euro) - vorausgesetzt, die restlichen Aktionäre geben ihre Papiere zu 13,75 Euro an Life Technologies ab.

 

Der US-Riese benötigt aber nicht alle Aktien (100 %). Ab 95 % Eigenbesitz könnte Life Technologies die verbliebenen Minderheitsaktionäre gegen Zahlung einer "angemessenen" Abfindung aus dem Unternehmen drängen (und die Geneart AG danach von der Börse nehmen).

Bisher ist nicht bekannt, ob derlei geplant ist.

 

Es verwundert wie oft bei derlei Deals, welch feines Näschen manche Anleger besitzen: Von Mittwoch auf Donnerstag abend, war die Geneart-Aktie von 10,70 auf 11,40 Euro geklettert - obwohl die Übernahme erst am Freitag bekannt gegeben wurde - und schon seit Anfang April war der Geneart-Kurs stetig nach oben geklettert. Irgend jemand hatte also fleißig Aktien eingekauft, die wenig später nochmal kräftig stiegen. Das kann Zufall sein.

 

Wenig zimperlich

 

Life Technologies ist ein Zusammenschluss der ehemals eigenständigen Firmen Invitrogen und Applied Biosystems. Der Konzern entwickelt und verkauft molekularbiologische und biotechnologische Produkte, unter anderem Laborreagenzien, Klonierungskits und DNA-Sequenzierungs-Automaten. An der US-Firma Blue Heron Biotechnology (Bothell, Washington), einem der wichtigsten Konkurrenten der Geneart AG, besitzt Life Technologies bereits eine Minderheitenbeteiligung.

 

Life Technologies gilt als wenig zimperlich, wenn es um Übernahmen geht; bisher waren ähnliche Deals der Amerikaner regelmäßig von starken Mitarbeiterfluktationen begleitet.

 

Dessen ungeachtet schloss Geneart-Vorstandschef Ralf Wagner gegenüber Laborjournal einen Stellenabbau bei der bisherigen Geneart AG definitiv aus und sprach sogar von einer „Stärkung des Standorts Regensburg“.

 

Geneart-Chef spricht von "Stärkung des Standorts"

 

Die Amerikaner würden „erhebliche Investitionen in der Oberpfalz“ planen, so Wagner weiter, „gerade im Bereich Forschung und Entwicklung“. In Regensburg solle ein Zentrum für synthetische Biologie heranwachsen. Weiter heisst es, dass das Management von Geneart zunächst unverändert bleibe. Wie lange „zunächst“ dauern werde, darüber wollte Wagner nicht sprechen; ebensowenig, ob man gegenüber Life Technologies irgendwelche Arbeitsplatz- oder Standortgarantien ausgehandelt hätte, die auch vertraglich fixiert seien.

 

Zum derzeitigen Zeitpunkt kann man also nur darüber spekulieren, wie es langfristig tatsächlich weitergeht.

 

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 04.03.2013