Editorial

Das wundersame Verschwinden der Sponsorengelder

Wie man einen Workshop besser nicht organisiert.

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(9. Juli 2009) Man schrieb das Jahr 2007, als die deutsche Reproduktionsbiologin Y ihr Heimatland verließ, um herauszufinden, wie man in Schweizer Gefilden humane Eizellen künstlich befruchtet und dem Problem der ungewollten Kinderlosigkeit zu Leibe rückt. Ihre Aktivitäten in der Grundlagenforschung hatte Frau Y bereits Jahre zuvor abgeschlossen und ihren Frieden und ihre Freude daran gefunden, in einem medizinischen Routinelabor in unbefristetem Angestelltenverhältnis zu wirken.

Ihre wissenschaftliche Neugier jedoch war geblieben und nach Ablauf eines Jahres im Schweizerländle hatte Frau Y den Eindruck, dass die Kommunikation im deutschsprachigen Raum in der Reproduktionsbiologie durchaus einige Impulse vertragen könnte. Aus der Lage ihres neuen Arbeitsortes im Dreiländereck zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz ergab sich gewissermaßen eine geografische Schlüssellokalisation, um Reproduktionsbiologen zu einem Workshop zu vereinen. Der Institutschef und auch ihr Biologen-Kollege im Labor, dem sie die Idee als erstes antrug, waren, nun ja ... also "begeistert" wäre ein zu temperamentvolles Wort, aber doch immerhin nicht abgeneigt. Zwar ging die Euphorie nicht soweit, Mithilfe oder Unterstützung anzubieten, aber immerhin: man ließ Frau Y gewähren.

Frohen Mutes ging Frau Y ans Werk. Bereits im Vorfeld hatte sie die inhaltliche Seite "abgecheckt" und aus dem Kreise befreundeter deutscher und österreichischer Kollegen acht Referenten für den eintägigen Workshop gewonnen, die zu interessanten neuen Entwicklungen in der Reproduktionsbiologie referieren wollten.

Als erstes - logisch - musste Frau Y die Finanzierung des Workshops klären. Was ihr zuerst als größte Herausforderung erschienen war, verlief erfreulich unkompliziert. Alle zehn der auf das Projekt hin angesprochenen und auf reproduktionmedizinischem Gebiet aktiven Pharma- und auch anderer Firmen, erklärten sich bereit, die Veranstaltung zu unterstützen. Binnen kurzer Zeit sammelte sich eine respektable Summe an Schweizer Franken an, die es ermöglichte, den Teilnehmerbeitrag gering zu halten. Die Verwaltung der eingeworbenen Mittel waren Frau Y und ihrem Laborkollegen durch den an der Angelegenheit mäßig bis gar nicht interessierten Institutsdirektor anheim gestellt worden. Es wurde also wie abgesprochen ein Konto eingerichtet bei einer Schweizer Bank, zu welchem nur Frau Y und ihr Laborkollege Zugang hatten. Der Chef lehnte eine Involvierung und einen Kontenzugang ausdrücklich ab.

Die gesamte nun folgende Organisation vom Entwurf und Drucken der Programme über das Versenden der Einladungen bis hin zur Bestellung von Veranstaltungsort, Hotels und Flügen für die Referenten, oblagen allein Frau Y. Wie in den meisten reproduktionsbiologischen Labors üblich, war auch Frau Y tagsüber mit biologischen Routinepflichten beschäftigt. Sie verlegte die Organisationsarbeiten für den Workshop zum Großteil auf die Nächte.

Der Workshop verlief im Juni 2008 trotz nicht gerade üppiger Teilnehmerzahlen erfolgreich. Es kam zu einem intensiven und produktiven Austausch. Interessanter- und auch enttäuschenderweise hielt sich die Zahl der aus dem eigenen Institut teilnehmenden ärztlichen und biologischen Mitarbeiter in Grenzen. Immerhin: der Chef selbst saß in der Runde, wenn auch nur pro forma und schweigend. Frau Y hatte gemutmaßt, dass eine solche Veranstaltung Stolz erzeuge und auch eine Außenwirkung für das Institut bedeuten würde, was den Chef möglicherweise veranlassen könnte, die Mitarbeiter des Instituts für eine Teilnahme zu gewinnen. Beim täglich stattfindenden Morgenrapport wäre beispielsweise eine Ankündigung vorstellbar gewesen.

Die Krönung ereignete sich im Nachfeld des Workshops. Das bis dahin übersichtliche Interesse des Chefs lief nun, als zur Verwaltung und Abrechnung der Sponsorengelder geschritten wurde, zu Hochform auf! Plötzlich fragte er nach Kostenaufstellungen, Quittungen, Belegen und vor allem: Was ist denn übrig geblieben und was machen wir mit dem Restgeld? Glücklicherweise blieb die ob der plötzlichen Zuwendung schockierte Frau Y keine Antwort schuldig und konnte den sparsamen Verbrauch der Sponsorengelder aus der Industrie glaubhaft darlegen. Deswegen war auch eine höhere 4-stellige Summe übriggeblieben.

Was tun mit dem Gelde? Den Firmen zurückgeben? Geht nicht. Verjubeln für irgendwas - unethisch...

Letztlich verständigte man sich - auch in Rücksprache mit den Sponsorenfirmen - darauf, die verbliebenen Gelder für Fortbildungszwecke zu verwenden. Insbesondere dürfe Frau Y einen Teil für eine spätere Kongressteilnahme abrufen. Das Geld verblieb also auf dem durch Frau Y und ihrem Laborkollegen verwalteten Konto.

Bald darauf wurde Frau Y aus "betriebswirtschaftlichen Gründen" gekündigt. Da erfahrene Reproduktionsbiologen nicht lange auf der Straße sitzen, ging Frau Y schon bald wieder einer geregelten Tätigkeit in ihrem Heimatland nach. Sie ließ die Workshop-Restgelder vertrauensvoll in der Obhut ihres ehemaligen Laborkollegen. Einige Monate nach ihrer Abreise, im Herbst 2008, reichte Frau Y eine Reisekostenabrechnung bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber für die Teilnahme an einem Kongress ein: sie wollte wie besprochen auf die von ihr akquirierten Gelder zurückgreifen.

Zurück kam Schweigen. Ihre E-Mails wurden nicht beantwortet.

Von der Schweizer Bank erfuhr Frau Y, dass die komplette Summe vom Konto abgehoben worden war. Der am Workshop ansonsten unbeteiligte Biologen-Kollege mit Zugangsberechtigung zum Konto hatte hinter ihrem Rücken das Konto abgeräumt und aufgelöst. Erst nach Monaten kam eine Chef-E-Mail: Wegen des Ausscheidens von Frau Y besitze sie keinen juristischen Anspruch auf diese Gelder, und daher könne dem Ansinnen auf Reisekostenerstattung nicht entsprochen werden.

In summary: Da bedienen sich Leute an Geldern - ihre Verwendung ist Frau Y bis heute unbekannt - für dessen Akquirierung sie keinen Finger krumm gemacht haben. Sie fragen nicht, sie halten sich nicht an Vereinbarungen, sie nehmen einfach. Sie parasitieren an der Arbeit von Frau Y.

Juristisch ist hier wahrscheinlich wirklich nichts anfechtbar, moralisch fragwürdig ist dies Verhalten aber allemal.



Ines Eue

Foto: www.heccm-verein.ch


Letzte Änderungen: 04.03.2013