Editorial

Inkontinenz am Inn: Von Blinden, Standhaften und Süppchenkochern (5)

Was bisher geschah: Konfrontiert mit einer nicht der EK zur Stellungnahme vorgelegten Phase III Studie bringen die Autoren Ausreden vor, die nicht akzeptiert werden.

(19.12.2008) Folge 5 (Oktober 2007 - Januar 2008):

Auf Scheil und Glossmann wird Druck ausgeübt.

Am 4. Oktober 2007 erhielt Glossmann Post von Rechtsanwalt Czernich. Weil Glossmann wegen Margreiter und Marksteiner an Lancet geschrieben hatte, drohte Czernich gerichtliche Schritte an und forderte Glossmann auf, Stellung zu nehmen.

Dieser verweigerte eine Stellungnahme.

Im November 2007 - also ein Dreivierteljahr nach dem Antrag Pinggeras auf eine Phase II Studie - teilte Czernich dem ärztlichen Direktor Buchberger mit, dass das an Bartsch gerichtete Behandlungsverbot keine rechtliche Grundlage habe und daher als gegenstandslos betrachtet werde. Strassers Behandlungen seien auch außerhalb ethikkommissionspflichtiger Studien zulässig, nämlich als "Einzelfallbehandlung". Czernich scheint immer noch der Meinung zu sein, dass Strassers Inkontinenz-Behandlung eine wissenschaftlich anerkannte Methode sei.

Strassers Inkontinenz-Behandlung ist jedoch keine wissenschaftlich anerkannte Methode. Und der Begriff "Einzelfallbehandlung" macht im Rahmen des österreichischen Rechts keinen Sinn. Andreas Scheil rätselt, ob Czernich "compassionate use" gemeint haben könnte. Unter "compassionate use" versteht man nach Wikipedia: "die Anwendung eines möglicherweise wirksamen, jedoch noch nicht zugelassenen Arzneimittels im Einzelfall bei Patienten in lebensbedrohlichen Situationen oder mit schwer wiegenden nicht oder nicht mehr anderweitig therapierbaren Erkrankungen im Rahmen der ärztlichen Behandlungspflicht und Therapiefreiheit." Mit anderen Worten: Man kann bei einer ernsthaften Krankheit eine experimentelle Methode anwenden, wenn weit und breit keine Alternative in Sicht ist und der Patient weiß, dass es sich um eine Verzweiflungstat mit zweifelhaftem Ausgang handelt. Doch dies trifft für Strassers Behandlungen nicht zu: Es gibt alternative Behandlungsmethoden der Inkontinenz. Bei den hunderten von Strasser behandelten Patienten hat also mit Sicherheit nicht immer "compassionate use" vorgelegen. Und selbstverständlich muss der Patient auch bei "compassionate use" über die experimentelle Natur der Behandlung aufgeklärt werden.

Am 6. Dezember 2007 wandten sich Bartsch und Strasser über Czernich mit einer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Innsbruck. Strasser werde verleumdet. Scheil behaupte gegenüber Beamten des Gesundheitsministeriums, Strasser habe die Lancet Studie manipuliert. Glossmann habe versucht, unberechtigt Daten von Innovacell zu erhalten und Marksteiner zum Bruch des Betriebsgeheimnisses anzustiften. Des weiteren legte Czernich ein anonymes Dossier von "Freunden und Helfern" vor, das ihm am 6. November 2007 zugegangen sei. Nach diesen "Freunden und Helfern" hätten die ehemaligen Oberärzte der Urologie Christian Gozzi und Peter Rehder zusammen mit der Firma American Medical Systems (AMS) im Dezember 2006 ein Patent erhalten, das sich ebenfalls auf die Behandlung von Harninkontinenz beziehe. Es handelt sich um die Advance-Bandtherapie; hier wird die Harnröhre mit einem Kunststoffband mechanisch verschlossen anstatt Stammzellen in den Blasenschließmuskel zu injizieren. Die beiden Methoden stünden in direkter Konkurrenz, so die "Freunde und Helfer". AMS versuche deswegen, über die EK und die Universität Strassers Methode auszuschalten. Insbesondere Glossmann arbeite für AMS. Er habe Gozzi und Rehder seine Unterstützung zugesagt.

Als Beweis legten die "Freunde und Helfer" zwei Schreiben bei, die angeblich von Christian Gozzi geschrieben und unterschrieben wurden und vom 6. Februar 2006 und 25. Oktober 2006 datieren.



Innsbruck, 25.10.2006

We will be ready to submit the multicenter trial with Innsbruck, München, Leuven, Paris and Barcelona in the next weeks. We still believe that this will be a great project. We intend to publish our data in a top journal, such as the Lancet.

In the meantime we still get strong support from our friend. As proposed, Prof. Madersbacher has used the "Arbeitskreis Blasenfunktionsstörungen" of the ÖGU to publish a very critical article on the myoblast project. Prof. Glossmann has promised Dr. Rehder to try to block the myoblast project and to put pressure on Innovacell. So do not worry, I think that we can stop them and kick Prof. Strasser out of the university.




Adressat war Bob de Jonge von AMS; ein Briefkopf fehlt. Der andere Brief (hier nicht wieder gegeben) hatte als Adressaten Kevin Arnal von AMS.

Staatsanwaltschaft und Polizei beginnen zu ermitteln.

Christian Gozzi gab eine eidesstattliche Erklärung ab, dass er die Briefe weder geschrieben noch unterschrieben habe. Des weiteren sagt Gozzi, dass er Glossmann im Jahre 2006 nicht gekannt habe. Auch Rehder bezeugt, dass ihm Glossmann 2006 nie begegnet sei. Glossmann habe ihm auch nie etwas versprochen.

Die "Freunde und Helfer" Informationen waren auch dem Gesundheitsministerium zugegangen. Das hatte Ende November 2007 ein Treffen mit Scheil und zwei anderen Mitgliedern der EK in der Geschäftsstelle der EK anberaumt. Sachbearbeiter König soll darin geraten haben, Glossmann möge sich einer weiteren Beurteilung der Pinggera Studie enthalten. In einem Schreiben vom 20. Dezember 2007 an die Gesundheitsministerin Kdolsky protestierte Glossmann: Das sei der Versuch, ein Mitglied der EK zu diskreditieren und an der objektiven Beurteilung zu hindern. Das Resultat: Keine Reaktion der obersten Gesundheitsbehörde des Alpenlandes und das, obwohl Glossmann die Ministerin auf die Brisanz der Causa aufmerksam macht.

Am 11. Dezember 2007 verlangte Czernich von Glossmann seine Behauptung zu widerrufen, daß Marksteiner und Margreiter nie Mitglieder des Instituts für Biochemische Pharmakologie gewesen seien. Glossmann widerrief nicht.

Am 17. Dezember 2007 warf Czernich in einem Schreiben an den Vorsitzenden der EK und an das Gesundheitsministerium Glossmann vor, er habe, indem er bei Marksteiner und Petrovic vertrauliche Informationen anforderte, seine Kompetenzen als Mitglied der EK überschritten. Zudem habe er die unwahre Behauptung aufgestellt, dass es bei den mit Urocell therapierten Patienten zu Narbenringen käme.

Am 15. Januar 2008 legte Czernich im Namen von Bartsch und Strasser beim Wissenschaftsministerium Dienstaufsichtsbeschwerde ein und verschickt Kopien davon unter anderem an den Universitätsrat, das Aufsichtsorgan der MUI. Darin werden die schon am 6. Dezember bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck angezeigten Vorwürfe wiederholt und der EK zudem vorgeworfen, sie verschleppe die Entscheidung über den Antrag Pinggera. Das Ministerium weist zwei Monate später die Beschwerde zurück - über eine weisungsfreie EK gibt es keine Dienstaufsicht - und verweist Bartsch und Strasser an den Rektor.

Am 18. Januar 2008 legt Strasser in einer vor Eigenlob strotzenden ergänzenden (zur Anzeige bei der Staatsanwaltschaft) Erklärung beim Landeskriminalamt Innsbruck nach. Er wirft der EK Verzögerung der Pinggera Studie, eine Rufmordkampagne und destruktive Haltung vor. Zudem beschuldigt Strasser Gozzi und Rehder von der Firma AMS erhebliche finanzielle Zuwendungen für das Advance Band erhalten zu haben. Strasser vermutet, daß AMS, seine, Strassers, Therapie behindern wolle. Des weiteren unterstellt er Glossmann, Scheil und anderen den Versuch der Industriespionage und Obstruktion. Endlich sei ihm ein Reifen aufgestochen worden und an seinem PC habe man Ende 2007 zu Spionagezwecken einen Keylogger installiert.



Hubert Rehm



Letzte Änderungen: 19.12.2008