Editorial

Virtuelle Netzwerke für Forscher - nützlich oder überflüssig?

Sind virtuelle soziale Netzwerke eine Alternative zu echten Kontakten und eigenen Internetrecherchen? Machen sie das Forschen effizienter oder verschwenden sie nur Zeit?

( 4. Juli 2008) Woher bekommt man schnell und effizient Insider-Informationen über potentielle Arbeitgeber, neue Kollaborationspartner und Serviceeinrichtungen? Wo kann man einen Kollegen finden, der Rat bei einem wissenschaftlichen Problem geben kann? Sind Sie von "feindlichen Arbeitsgruppen" umgeben? Will niemand im eigenen Labor mit Ihnen über Forschung diskutieren? Haben Sie ungestillten Kommunikationsbedarf? Mehrere Plattformen im Internet bieten die Möglichkeit, virtuelle berufliche und soziale Netzwerke mit anderen Forschern aufzubauen. Zum Zeitvertreib liefern diese interaktiven Webseiten zudem amüsante und informative Blogs und Forenbeiträge.



"Die Seite" für den internationalen Austausch von wissenschaftlichen Informationen und Interessen ist sicher das Nature network Portal (http://network.nature.com). Benutzer können sich in Gruppen, Foren und Blogs online unterhalten, andere Forscher mit ähnlichen Schwerpunkten finden und sich über das Portal e-mails zuschicken. Darüber hinaus liefert Nature network Nachrichten aus der Forschung, internationale Stellenanzeigen und Ankündigungen von Konferenzen, Vorlesungen und anderen Ereignissen.

Das amerikanische Portal scilink.com öffnete 2007 und hat inzwischen über 41000 Benutzer. Auch hier kann man in einem kostenlosen Account sein Profil und sein berufliches Netzwerk online zugänglich machen. Der Citation Manager für den Austausch von Webseitenadressen und Literaturlisten ist allerdings noch in der Entwicklung. Vielleicht sollte man dafür doch lieber die gute, alte e-mail benutzen! Die Nutzer von SciLink können sich darüber hinaus an Diskussionsgruppen beteiligen oder solche eröffnen. Bisher sind jedoch nur wenige solcher Gruppen vorhanden. Sie sind auch nahezu inaktiv. SciLink veröffentlicht außerdem Wissenschaftsvideos sowie Nachrichten aus Forschung und Industrie. Stellenausschreibungen auf diesem Portal stammen vorwiegend von amerikanischen Forschungseinrichtungen und Firmen und sind kostenpflichtig.

biomedexperts.com stammt von der amerikanischen Firma Collexis Holdings und ist seit Anfang 2008 online. Es macht allerdings schon beim Erstellen des Benutzerprofils schlapp, da das automatische Auffinden von Veröffentlichungen in der Pubmed nicht oder nur unzureichend funktioniert.

researchgate.net wird von der deutschen Firma ResearchGATE GmbH betrieben und startete im Mai 2008. Die Gründer von ResearchGATE sind ein promovierter Virologe und ein Doktorand von der Medizinischen Hochschule Hannover sowie ein Computerspezialist. Das Portal wird nach eigenen Angaben von mehreren wissenschaftlichen Organisationen unterstützt. Dazu gehören: GAIN, die Vereinigung der deutschen Wissenschaftler in Nordamerika, das Exzellenzcluster "From Regenerative Biology to Reconstructive Therapy" der Medizinischen Hochschule Hannover, das Doktorandennetzwerk der Max-Planck-Gesellschaft, die biomedizinische European Students' Conference, die International Academy of Life Sciences sowie Prize4Life, eine Gesellschaft zur Förderung der Behandlung der neurologischen Erkrankung ALS. Nach Angaben der Stipendienförderorganisation KOWI will die European Science Foundation künftig Stellenanzeigen in ResearchGATE inserieren und fordert ihre Mitglieder zur Teilnahme an diesem Portal auf. ReseserchGATE will ähnliche Dienste anbieten wie Nature network und SciLink.

medicamail.com wird vom European Medical Network entwickelt. Angehörige des Gesundheitswesens können hier kostenlos wissenschaftliche und andere fachliche Informationen austauschen, Kongresse ankündigen, Stellen ausschreiben und suchen. Die Anfragen werden in wöchentlichen e-mails zugesandt, nach Fachgebieten geordnet. Voraussetzung für den Zugang sind Veröffentlichungen in Zeitschriften mit Peer-Reviewing in den letzten drei Jahren. MedicaMail ist einfach zu benutzen und wenig zeitaufwendig.

scholarz.net, ein Projekt der Universität Würzburg, ist derzeit noch in der Entwicklung und auf Anfrage zugänglich. Es ist auf die Bedürfnisse von Geisteswissenschaftlern zugeschnitten, die Sekundärliteratur- und quellenbezogen arbeiten. Es könnte jedoch zum Schreiben von Abschlussarbeiten und Artikeln online benutzt werden, sobald auch Bilder und Formen eingebunden werden können. Bei Interesse empfehle ich die schöne Videoeinführung.

Auch in SciBook auf dem Portal facebook können Forscher aus den Biowissenschaften das eigene Profil, Veröffentlichungen und Literaturlisten online zugänglich machen, Kollegen mit ähnlichen Forschungsinteressen finden und miteinander in Kontakt treten. Das richtige Portal für alle, die facebook lieben. SciBook liefert einen Link zur kanadischen Firma Ion Channel Media Group. Diese bietet themenspezifische Subportale mit Wissenschaftler-Rankings, Links zu Webseiten von Informationsportalen, Firmen, Zeitschriften und Laboren. Die inserierten Stellenanzeigen stammen vorwiegend von amerikanischen Forschungseinrichtungen und Firmen. Zur Zeit hat Scibook über 4200 Mitglieder.

Laborjournal bietet auf seiner Webseite unter LJ-Forum die Diskussionsgruppen "Methoden" und "Biotech-Szene" an, um über technische Probleme und neue Entwicklungen zu diskutieren. Dieses Angebot wird jedoch nur wenig genutzt, obwohl Laborjournal eine Auflage von über 28 000 Exemplaren und viele online-Nutzer hat.

Ich habe die Namen von 25 Kollegen aus der biomedizinischen Forschung in die Personensuchfunktion von Nature network, SciLink, ResarchGATE und SciBook eingegeben. Sie haben Positionen vom Doktoranden bis zum Professor inne. Keiner von ihnen benutzt SciLink, einer ResearchGATE und zwei benutzen Nature network. Die entsprechende Suchfunktion von SciBook war defekt. Für Kollaborationen suchen sich die meisten Wissenschaftler entweder international bekannte Experten aus oder arbeiten mit einem versierten Labor vor Ort zusammen, dessen Qualität durch Veröffentlichungen und Mundpropaganda bekannt ist. Der Kollaborationspartner um die Ecke hat den Vorteil, dass man sich öfter treffen und leichter austauschen kann, zum Beispiel in der Cafeteria.

Offensichtlich stehen Wissenschaftler den für sie entworfenen online-Diskussionsforen und beruflichen Netzwerkportalen bisher eher desinteressiert oder skeptisch gegenüber. Ob Kollegen aus dem Internet fachkundig und ihre Informationen verlässlich sind, muss man erst herausfinden. Vielleicht sind diese Angebote auch zu neu, zu wenig ausgereift.



Bettina Dupont



Letzte Änderungen: 04.07.2008