Editorial

Skandal: Professoren müssen an Universität arbeiten!

Weitgehend unbemerkt blieb Ende vergangenen Jahres eine skandalöse Entscheidung des Bundesfinanzhofs. Sie verurteilt deutsche Professoren dazu, an ihren Universitäten zu arbeiten.

(25.03.2008) Deutsche Geisteswissenschaftler haben einen schlechten Ruf. Man sagt ihnen nach, sie seien überheblich und weltfremd und könnten keinen Nagel in die Wand schlagen, ohne sich auf den Daumen zu hauen. Diese Einschätzung ist falsch! In Wahrheit entwickelt so mancher dieser akademischen Feingeister Initiative und Tatkraft, engagiert sich selbst in seiner Freizeit und beeindruckt durch zähen Fleiß.

Unsere Professoren: Fleißig und engagiert

Das war erst kürzlich wieder zu erfahren. Ausgangspunkt dieser, nennen wir sie "Arbeitszimmer-Affäre", war eine himmelschreiende Fehleinschätzung des Finanzamts Münster. Dieses hatte sich geweigert, das häusliche Arbeitszimmer eines Hochschullehrers der örtlichen Universität als professorales Kostensparmodell zu akzeptieren. Für das Jahr 2002 hatte der namentlich nicht genannte Universitätsdozent seine gesamten diesbezüglichen Aufwendungen in Höhe von knapp 6000 Euro als Werbungskosten geltend gemacht. Der zuständige Finanzbeamte sagte: Geht nicht. Der beleidigte Professor antwortete: Das wollen wir doch mal sehen - und engagierte sich. Vor Gericht: Er klagte.

Grundsätzlich sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nur abzugsfähig, wenn es "Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit" ist.

Schlimm: Freiheit der Wissenschaft bedroht!

Doch unser Professor sah die Angelegenheit in einem breiteren Kontext: Er fand, das Innerste unserer Demokratie, das Deutsche Grundgesetz höchstpersönlich, sei durch ignorante Münsteraner Finanzamts-Kleingeister bedroht. Deren Weigerung, ihm Gerechtigkeit zukommen und somit Steuern sparen zu lassen, sei ein Verstoß gegen GG Artikel 5 Absatz 3: "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei."

Dieses Grundrecht wüsse natürlich auch fürs Steuernsparen, will sagen, für die "Schwerpunktsetzung und die Prägung der Tätigkeiten durch den Hochschullehrer" gelten, wie es unser Hochschullehrer ausdrückte. Er sei schließlich "der Einzige, der festlegen können müsse, wo und wie er seine Dienstaufgaben ausübe und wo er den Mittelpunkt seiner Tätigkeiten sehe". So wird der Professor im offiziellen Organ des Deutschen Hochschulverbandes DHV ("Forschung & Lehre", Ausgabe 12/07) zitiert.

Er habe "überzeugend dargelegt, dass er wesentliche Teile seiner Tätigkeit als Hochschullehrer im häuslichen Arbeitszimmer ausübe - und zwar seine gesamte Forschung und große Teile der Lehre", wie ein Autor des Deutschen Hochschulverbands im Hausblatt "Forschung & Lehre" konstatierte.

Die tun was: DHV strengt Musterprozess an ...

Lustige Szenarien lassen sich nun ersinnen: Was, wenn der Kollege seine Vorlesungen künftig gar nur mehr im mallorquinischen Urlaubsdomizil oder im nepalesischen Hochland abhalten will? Tja, auch derlei sollte durch's erwähnte "Grundrecht auf Freiheit der Wissenschaft" abgedeckt sein, oder? Schon praktisch, so ein Grundrecht, das alle denkbaren Freiheiten gewährt und scheinbar kaum Verpflichtungen auferlegt.

Grenzenlose Freiheit? Tja, wenn's nur so wäre. Der Deutsche Verband steuersparender Hochschullehrer, will sagen der DHV, sah prompt die Interessen seiner Klinentel bedroht: Der Verband stand dem betroffenen Feingeist aus Münster auf seinem Klageweg bereitwillig bei.

Der DHV strengte sogar einen Musterprozess in der Münsteraner Arbeitszimmer-Affäre an.

...und vergeigt in Bausch und Bogen

Doch, auweh, das selbstlose Engagement unseres Geisteswissenschaftlers für Gerechtigkeit, Grundgesetz und 6000 Euro Werbungskosten scheiterte: Ende 2007 lehnte der Bundesfinanzhof (BFH) eine Revision gegen das ursprüngliche Urteil ("Professorales Arbeitszimmer steuerlich absetzen? Nö!") des Finanzgerichts Münster ab. Ein Abzugsverbot fürs Professoren-Arbeitszimmer sei verfassungskonform und damit zulässig.

Die BFH-Richter sind der Meinung, dass der Mittelpunkt der Tätigkeit von Hochschullehrern stets in der Universität liege. Der bewusste Hochschullehrer habe nicht deutlich machen können, "dass ihm ohne sein Arbeitszimmer eine freie wissenschaftliche Betätigung nicht möglich wäre" (Quelle: BFH-Beschluss vom 22.10.2007, Az. XI B 12/07).

Universitätsprofessoren müssen also künftig an ihrer jeweiligen Universität arbeiten. So hart kann das Leben sein.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 04.08.2008