Editorial

Medigene vom "Fluch der Kelten" geschlagen

Aktuell ist die deutsche Biotechbranche nicht zu beneiden: Nach dem überraschenden Rückschlag für GPCs hochgejubeltes Krebsmittel Satraplatin (siehe Online-Artikel vom 26.7.) hat nun auch Nachbar Medigene Probleme bei der Zulassung seines Rosazea-Präparats.

(01.08.2007) Vor wenigen Wochen sah alles noch so schön aus: GPC Biotech freute sich auf die 500 Millionen Dollar, die das neue Wundermittel Satraplatin pro Jahr abwerfen würde, und der Martinsrieder Nachbar Medigene sonnte sich im Ruhm, mit Eligard im Jahr 2004 als erste deutsche Biotechfirma überhaupt ein Arzneimittel vermarktet zu haben (übrigens wie Satraplatin ein Prostatakrebsmedikament).

Doch letzte Woche verweigerte die US-amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) Satraplatin die sicher geglaubte Zulassung, und seit gestern hat auch Medigene sein "Worst-Case-Szenario": Das sich gegen Gesichtshautentzündung ("Rosacea") richtende Mittel Oracea kommt, wenn überhaupt, erst wesentlich später als erwartet auf den Markt. Medigene informierte in einer Pressemitteilung, das Komitee der am dezentralen Verfahren beteiligten neun Länder "sei nicht zu einer einstimmigen Entscheidung gelangt und verweise daher den Prozess an ein weiteres Gremium zur Entscheidung". Auf deutsch: Die europäische Marktzulassung von Oracea verschiebt sich um mindestens sechs Monate - und damit aufs Jahr 2008 (in den USA ist Oracea längst auf dem Markt, wird dort allerdings nicht von Medigene vermarktet).

Kurs in den Keller

Sofort nach der Meldung passierte das Übliche: Medigenes Aktie ging auf Talfahrt. Mitte der Woche notierte das Papier nur mehr bei 4,85 Euro. Noch bedrückender ist der längerfristige Kursverlauf: In den letzten neun Monaten hat die Medigene-Aktie über 40 Prozent an Wert verloren (Stand am 1. November 2006: 8,36 Euro).

Medigene hat die europäischen Rechte an Oracea Ende 2006 für vier Millionen Euro von der US-Firma Collagenex erworben. Die Deutschen bauen derzeit einen eigenen Vertrieb für ihre Medikamente auf - ein solcher rentiert sich jedoch nur, wenn man den Ärzten auch möglichst viele Produkte anbieten kann. Alle weit fortgeschrittenen Produkte der Oberbayern wie Eligard (auf dem Markt), Polyphenon (steht vor der Markteinführung) oder Oracea sind einlizenziert und stammen somit aus fremden Quellen, die wenigen echten Eigenentwicklungen Medigenes befinden sich in Frühstadien.

Der "Fluch der Kelten"

Oracea soll gegen Gesichtshautentzündung ("Rosazea") wirken. Diese tritt meist bei Erwachsenen ab dem 40. Lebensjahr und phasenweise auf: die Haut rötet sich, oftmals kombiniert mit bläschenhaften Ausschlag und teils extremer Akne. Bei manchen Patienten kommt es wegen starker Talgdrüsen-Wucherungen zur sogenannten "Knollennase" (auch der Maler Rembrandt litt, einem Selbstbildnis nach zu urteilen, wohl an Rosacea). Oft sind auch die Augen betroffen, und da vor allem hellhäutige Personen vom "keltischen Typ" (rothaarig, sommersprossig) an Rosazea leiden, bezeichnet man die Krankheit in Großbritannien und den USA als "Fluch der Kelten". Ihre Ursachen sind unklar, man vermutet u.a. Regulationsstörungen der Gefäßversorgung des Gesichts, aber auch Haarbalgmilben oder andere (allergische) Faktoren als Auslöser.

Das Mittel der Oberbayern

Oracea, entwickelt vom US-Unternehmen Collagenex Pharmaceuticals, enthält als wirksame Substanz das Antibiotikum Doxycyclin. Laut Firmenangabe ist dieses so dosiert, dass es zwar antiinflammatorisch, nicht aber antibiotisch wirke - was auch sinnvoll wäre, denn Rosacea ist vermutlich keine Infektions-, sondern eine Entzündungskrankheit. Das jährliche Umsatzpotenzial des Mittels in Europa wird von Medigene auf 20 Millionen Euro geschätzt und fällt damit in die Kathegorie "Nischenprodukt".

Einlizenzieren ist auch nicht der Stein der Weisen

Bleibt festzuhalten, dass die Einlizenzierungsmasche deutscher Biotechfirmen nicht recht zu funktionieren scheint. Weder GPCs Satraplatin noch Medigenes Eligard, Polyphenon oder Oracea sind nämlich auf dem eigenen Mist gewachsen. Es sind samt und sonders Fremdprojekte, die teilweise mangels Erfolgsaussichten sogar zunächst auf dem Abstellgleis gelandet waren. Die Deutschen haben die Rechte dann später für teures Geld dem ursprünglichen Entwickler abgekauft ("einlizenziert") und die noch fehlenden klinischen Studien für noch teureres Geld selbst durchgeführt.

Doch das scheint kein Königsweg zu sein. Medigene sonnt sich zwar gerne im Glanz des "ersten von einer deutschen Biotechfirma vermarketen Arzneimittels", doch außer diesem zweifelhaften Ruhm können sich die Martinsrieder wenig davon kaufen. Die Erlöse sind marginal, und den Löwenanteil davon steckt ohnehin Medigenes japanischer Vermarktungspartner Yamanouchi ein. Ob sich derlei unter dem Strich rechnet, darf bezweifelt werden.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 01.08.2007