Editorial

"Kein Handlungsbedarf"

In einem Aufsehen erregendem Buch bezog die deutsche Professorenschaft unlängst ordentlich Prügel ("Faul, gierig, teuer – unkündbar!"). Laborjournal erbat beim Deutschen Hochschulverband eine Stellungnahme. Die Antwort kam prompt – und ist ebenso kurz wie aufschlussreich.

(03.06.2007) Die Laborjournal-Buchrezensionen werden in bestimmten Kreisen so hoch geschätzt, dass sie heimlich geklaut und unter falschem Namen weiterverbreitet werden. Mehr dazu erfahren Sie im Editorial der am 8. Juni erscheinenden LJ-Ausgabe 06/2007. Auf Seite 91 der gleichen Ausgabe wird ein Buch besprochen, in dem es um die faulen deutschen Professoren geht.*

Oho, faule Professoren – gibt's die denn überhaupt? Und ob, versichern die Autoren, die gibt's zur Genüge. Den Beweis liefern sie in ihrem Buch gleich mit: Mit einem ebenso medienwirksamen wie genialen Trick lockten sie einige Dutzend akademische Faulenzer aus der Reserve und in die Falle – und brachten sie dazu, ahnungslos-offenherzig aus dem Nähkästchen der deutschen Uni-Misswirtschaft zu plaudern.

Drei Tage unerlaubtes Fehlen? Kein Problem!

Hochinteressante Dinge brachten Kamenz & Wehrle ans Tageslicht. So etwa brüstet sich ein FH-Professor aus Baden-Württemberg damit, dass er ja "genügend Zeit" habe, dass er "auch mal die eine oder andere Vorlesung ausfallen lassen" könne, und dass die ihm durch die Nebentätigkeit entstehenden Fixkosten "ja vom Staat abgedeckt" seien und er während der Vorlesungszeit locker drei Arbeitstage pro Woche fehlen könne.

So spricht der (leider ungenannt bleibende) Professor aus Ba-Wü. Einer seiner Kollegen offenbart, er könne aus einer eventuellen Nebentätigkeit entstehende Arbeiten bei Bedarf gerne von seinen universitären Assistenten und Studenten erledigen lassen, und ein weiterer Professor – seines Zeichens immerhin Fachhochschul-Präsident! – ist laut eigener Aussage locker in der Lage, "an zwei Tagen in der Woche eine Zusatztätigkeit auszuüben".

"Wo kein Kläger, da auch kein Richter."

Doch all das sind Dinge, die – eigentlich! – streng verboten sind. Professoren dürfen nicht mehr als ein Fünftel ihrer regulären Arbeitszeit für Nebentätigkeiten verwenden – und müssen sich dieses Fünftel zudem vom Dienstherrn genehmigen lassen. Doch eine Kontrolle der professoralen Anwesenheiten an den Universitäten und FHs scheint es nicht zu geben, glaubt man dem eingangs zitierten Professor aus Baden-Württemberg. Zum Thema "Dienstaufsicht" wird er in "Professor Untat" folgendermaßen zitiert:

"Ich müsste das offiziell genehmigen lassen. Aber wo kein Kläger, da auch kein Richter. Wenn ich nicht mit dem Ferrari an der Hochschule auftauche, fragt auch keiner nach, welche Tätigkeiten ich außerhalb der Hochschule mache."

Mehr von diesem schwäbischen "Professor Untat" und seinen Kollegen wie gesagt auf Seite 91 im demnächst erscheinenden Laborjournal 06/2007.

Der Laborjournal-Buchredakteur – obgleich selbst einschlägig universitätserfahren – konnte gar nicht glauben, was da alles in diesem Buch über das heutzutage anscheinend übliche professorale Gebaren geschrieben stand. Erschüttert beschloss er, eine offizielle Stellungsnahme vom Hochschulverband (DHV), dem obersten deutschen Professorengremium, speziell von dessen oberstem Chef, zu erbitten.

Was sagt der Deutsche Hochschulverband?

Der Deutsche Hochschulverband (dessen oberster Chef ein Präsident namens "Herr Universitätsprofessor Dr. Bernhard Kempen" von der Juristischen Fakultät der Universität Köln ist), ist laut Eigendarstellung "Mitgestalter der Hochschul- und Bildungspolitik in Deutschland. Er vertritt die hochschulpolitischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Hochschullehrer gegenüber Staat und Gesellschaft."

Somit sollte es diese Vereinigung eventuell interessieren, wenn mehrere seiner Mitglieder das Dienstrecht vorsätzlich mit Füßen treten und den eigenen Berufsstand in einem viel diskutierten Buch derart in Verruf bringen – so dachte zumindest der naive LJ-Redakteur. Er stellte den hohen Herren vom Professorenverband, namentlich dessen Chef, Univ. Prof. Dr. Bernhard Kempen, via E-Mail folgende drei Fragen:

1. Sie haben im März 2007 überraschend die Zusage zu einer SWR-Radiodiskussion mit unter anderem dem Autor des Buchs "Professor Untat", Uwe Kamenz, zurückgezogen. Warum?

2. Die Autoren des oben genannten Buchs erheben in diesem Buch teils schwere Vorwürfe gegen die deutsche Professorenschaft. Wie lautet dazu der offizielle Kommentar des DHV-Präsidenten, Bernhard Kempen?

3. Welche Maßnahmen plant der DHV gegen die im oben genannten Buch genannten Missstände (unangemeldete Nebentätigkeiten, Vernachlässigung von Forschung & Lehre, etcetera)?


Nichts!

Die (telefonische) Antwort des Deutschen Hochschulverband erreichte uns leider erst nach dem Redaktionsschluss der aktuellen LJ-Ausgabe 6/2007 und war, nun ja, recht übersichtlich:

1. Kein Kommentar. 2. Kein Kommentar. 3. Wir sehen keinen Handlungsbedarf.

Winfried Köppelle

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*Uwe Kamenz & Martin Wehrle: Professor Untat. Campus-Verlag, 2007. 282 Seiten, 19,95 Euro.



Letzte Änderungen: 05.06.2007