Editorial

Lehrprofessuren - eine gute Idee?

Die Exzellenz in der Forschung ist sichergestellt, nun soll durch die Berufung von Lehrprofessoren auch die Lehre gestärkt werden – denn ohne gute Ausbildung kein exzellenter Nachwuchs.

(04.03.2007) Der Wissenschaftsrat hat im Januar 2007 die Einführung von Lehrprofessuren gefordert, um die Studienplatzkapazitäten auszubauen und die Lehre zu verbessern. Ein Lehrprofessor soll in zwei Dritteln seiner Zeit lehren – maximal zwölf Semesterwochenstunden – und in einem Drittel forschen. Sein Gehalt entspricht dem eines richtigen Professors. Grundlage der Berufung eines Lehrprofessors sollen "nachgewiesene Kompetenzen in der Lehre" sein und sein Karriereweg soll über den Posten eines Juniorprofessors mit Schwerpunkt Lehre laufen. Zur Qualifikation der Lehrprofessoren soll "flankierend" ein "umfangreiches und klar strukturiertes Angebot zur Vermittlung von Lehrkompetenzen" aufgebaut werden.

Beim ersten Hören klingt das gut, doch glücklicherweise hat der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Peter Strohschneider, dem Projekt folgende Worte mitgegeben: "Die Größe und Komplexität der Herausforderungen machen es unumgänglich, grundsätzliche und mutige Veränderungen einzugehen." Solch pathetischer Wolkensprech weist daraufhin, dass etwas faul an der Sache ist, und in der Tat: Hier wird leeres Stroh geschnitten!

Es gibt Tiere, die von leerem Stroh leben können. Die werden die Forderung der Wissenschaftsrats nach einem "umfangreichen und klar strukturierten Angebot zur Vermittlung von Lehrkompetenzen" mit Freude hören. Im Klartext heißt das, zusätzlich zu Lehrprofessuren soll eine Art PH für Professoren aufgebaut werden und dazu ein Apparat von Lehrlehrern, Prüfungskommissionen, Oberprofessorenamt undsoweiter. Das heißt: Ein Korb voll neuer, gutbezahlter Pöstchen, die das Prestige eines Universitätslehrstuhls bieten, aber frei sind von dem unangenehmen Wettbewerb, dem sich der Forscher stellen muss. Nahrhaftes Stroh für akademische Ziegen.

Auf Stroh deutet auch hin, dass sowohl in den Verlautbarungen des Wissenschaftsrats als auch in den Stellungnahmen dazu, zum Beispiel vom Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz, die Angabe von Details peinlichst vermieden wird. Wie wird "Lehrkompetenz" gemessen? In der Zahl der promovierten Doktoranden? In der Zahl und Qualität der von diesen veröffentlichten Paper? Dürfen Lehrprofessoren überhaupt Doktoranden haben? Oder will der Wissenschaftsrat nur die Vorlesungen und Seminare verbessern?

Zwei Arten von Lehre

Denn das Problem ist: Es wird nicht einmal gesagt, was mit Lehre gemeint ist. An den Universitäten gibt es ja zwei Arten von Lehre. Einmal das Beibringen von Lehrbuchwissen, zum anderen die Anleitung zur wissenschaftlichen Arbeitsweise, das heißt wie man Lehrbuchwissen schafft. Für das erste reichen Hörsäle, für das andere braucht es ein Labor. Ob zwei, zwanzig oder zweihundert Studenten im Hörsaal sitzen, ist für die Vermittlung von Lehrbuchwissen gleichgültig. Man kann sogar auf Hörsaal und Vorlesungen verzichten. Mit ein, zwei guten Lehrbüchern und in einem stillen Kämmerlein sollte sich ein durchschnittlich begabter Studenten den Stoff selber beibringen können. Diese Methode ist billig, erzieht zu selbständiger Arbeitsweise und dazu, den Sinn von Texten zu erfassen. Im übrigen ist die Vermittlung von Lehrbuchwissen Aufgabe der Schule und nicht der Universität.

Das Erlernen der wissenschaftlichen Methode, die Anleitung zum Forschen dagegen braucht nicht nur ein Labor, sondern auch Zentrifugen, Massenspektrometer, Pipettenspitzen – und eine eingehende Betreuung. Mehr als drei Doktoranden oder Diplomanden kann ein Forscher nicht betreuen.

Die beiden Arten der Lehre sind also in Methoden, Zielsetzung und Ansprüchen so unterschiedlich wie Schule und Universität. Das gleiche gilt für die Personen, die sie vermitteln. Für die Vermittlung von Grundlagenwissen braucht es nur einen guten Lehrbuchschreiber. Forschen dagegen kann man nicht aus Büchern lernen, Forschen muss von Forschern gelehrt werden – nicht von Hobbyforschern sondern von den Besten: Die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass der gute Nachwuchs in der Regel aus den guten Labors kommt. Es ist zwar richtig, dass ein guter Forscher nicht automatisch andere zu guten Forschern erzieht, ein bisschen pädagogische Begabung braucht er auch. Aber ein schlechter Forscher oder einer, der nur mit dem linken Finger forscht, kann noch soviel pädagogische Begabung haben: Etwas, was er selber nicht kann, kann er auch anderen nicht beibringen. Nicht umsonst wird Forschen höher bewertet als Lehren. Ist nicht Forschen ein Ganztagsjob, eine Leidenschaft? Sind Eindrittelforscher nicht zwangsläufig schlechte Forscher? Schon die Tatsache, dass sie sich auf solch einen Job einlassen, zeigt, dass doch das Forschen nicht ihr Ein und Alles ist. Wollten Sie bei einem Lehrprofessor promovieren?

Für die erste Art Lehre braucht es also weder einen Professor noch sollte die Universität sich damit abgeben. Für die zweite Art der Lehre sind die vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Lehrprofessuren ungeeignet. Sie werden sich zu ökologischen Nischen für Forschungsnullen entwickeln.

Siegfried Bär

Bild: iStockphoto.com/Chih-Hang Chung



Letzte Änderungen: 05.03.2007