Editorial

Husch husch - schnell an die Börse!

Ob's am Wetter liegt? Die frühsommerliche Regenperiode ist vorüber, und schon drängen die Unternehmen an die Börse. Nach Geneart, Schmack Biogas und Nascacell peilt mit Biofrontera heuer bereits die vierte Life-Science-Firma ein öffentliches Listing an.

(09.06.2006) Mit nur 21 Mitarbeitern sieht die 1997 vom derzeitigen Vorstand Hermann Lübbert gegründete Firma Biofrontera nicht gerade wie ein Börsengangskandidat aus. Doch der Eindruck täuscht. Die Leverkusener setzten 2005 zwar nur 391.000 Euro um, schafften es aber, im gleichen Zeitraum immerhin 2,6 Millionen Euro Nettoverlust anzuhäufen. Solche Fabelverluste prädestinieren Biofrontera geradezu für die Börse. Schon allein deshalb, weil es die kleine Firma andernfalls nicht mehr lange geben würde.

"Zeitnah" (auf deutsch: bald) wollte sein Unternehmen ein IPO (Initial Public Offering = erstmaliges öffentliches Anbieten von Aktien) angehen, so CEO Lübbert. Biofrontera entwickelt Medikamente zur Behandlung von Haut- und Entzündungskrankheiten. Seit 1997 haben die Leverkusener 27 Millionen Euro von Investoren und 8 Millionen Euro Forschungszuschüsse vom Land Nord-Rhein-Westfahlen, vom Bund und von der Europäischen Union bekommen. Im August 2005 hat Biofrontera eine Wandelanleihe über 20 Millionen an der Börse platziert.

Die Einnahmen aus dem Börsengang sollen für die Produktentwicklung, den Erwerb neuer Produktkandidaten sowie den Aufbau von Vertrieb und Marketing verwendet werden. Das derzeit noch vorhandene Geld reiche dazu nicht aus, so Lübbert. Biofrontera sei derzeit zu fast zwei Dritteln im Besitz von Wagniskapitalgesellschaften; der Rest gehöre dem Management und weiteren Mitarbeitern sowie den Gründern und Privatinvestoren. Erst 2009 wolle Biofrontera schwarze Zahlen schreiben.

Drei Präparate hat Biofrontera in der klinischen Erprobung am Menschen; am weitesten ist die Firma mit BF-200 ALA gekommen. Das Präparat bekämpft Verhornungsstörungen der Haut ("aktinische Keratose"; eine Vorstufe von Hautkrebs). Derzeit wird die klinische Phase III beantragt. 2008 soll BF-200 ALA auf den Markt kommen. Ein Neurodermitis-Mittel und eines gegen chronische Nesselsucht testet Biofrontera in der zweiten klinischen Entwicklungsphase sowie vier weitere Substanzen zur Behandlung von Entzündungen präklinisch (sprich: in Tierversuchen). Mit insgesamt sieben Hoffnungsträgern steht Biofrontera damit nicht schlecht da - Firmen wie beispielsweise die börsennotierte Paion aus Aachen haben weniger aufzubieten.

Trotz aller Unwägbarkeiten ist dem Unternehmen ein gutes Gelingen zu wünschen. Die gelungenen Börsengänge von Geneart und Schmack Biogas hatten Ende Mai 23,4 beziehungsweise 71,3 Millionen Euro erbracht, während der IPO von Nascacell eher in die Schmuddelschublade namens "wir vergolden die Anteile unserer Altinvestoren" gehört. Die Biotechbranche profitiert endlich wieder von einem zunehmend freundlichen Investitionsklima - ein misslungener Biofrontera-IPO würde die endlich wieder mutigeren Life-Science-Investoren für lange Zeit vergraulen. Das muß nicht sein.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 09.06.2006