Editorial

Geldkoffer mit 51824000000 Rupien - Update: Betapharm geht an Dr. Reddy's

Zwei indische Pharmamultis wuchten Geldkoffer auf den Tisch. Ihr Inhalt: 51,8 Mrd. Rupien. Das Objekt der Begierde: Betapharm aus Augsburg. Falls der Übernahmeversuch in die Hose gehen sollte, können die Beteiligten wenigstens "Loperhoe akut" schlucken.

Wenn der Stuhlgang flüssig wird, dann greifen selbst Geldkofferbesitzer gerne zu Loperhoe akut-Kapseln. Die stoppen den Durchfall - schnell und sicher. Das jedenfalls behauptet ihr Hersteller, die schwäbische Pillendreher-Company Betapharm (Werbeslogan: "Mehr Mensch, weniger Kosten"). Zwölf Kapseln Loperhoe akut kosten 4,96 Euro.

Für das Geld, das die indischen Großkonzerne Dr. Reddy's und Ranbaxy nun angeblich für Betapharm (Standort: Augsburg) hinlegen wollen (umgerechnet 466 beziehungsweise 500 Millionen Euro), könnten sie sich ersatzweise auch eine Milliarde Loperhoe-Kapseln kaufen. Doch die Inder wollen lieber die ganze Firma: Betapharm, gegründet 1993, macht 160 (nach anderen Angaben 186) Millionen Euro Umsatz pro Jahr und ist damit die Nummer vier im deutschen Generikageschäft.

Goldgrube Generika - noch immer

Generika - das sind nachgemachte Billigmedikamente, für die der Patentschutz abgelaufen ist. Nicht besonders spannend ist das, doch es lässt sich viel Geld damit verdienen. In Zeiten, in denen Krankenkassen sparen wie die Weltmeister, sind Generika sogar eine Goldgrube - noch immer, trotz erbittertem Preiskampf. Die Großen Fünf hierzulande sind Ratiopharm (986 Millionen Euro Umsatz), die im Vorjahr von Novartis übernommene Hexal (930 Mio.), Stada (352 Mio.), Betapharm, sowie CT Arzneimittel (128 Mio.).

Betapharm, ansässig im Augsburger Kobelweg 95, wurde 1993 vom ehemaligen Ciba-Geigy-Manager Peter Walter aufgebaut und beschäftigt derzeit 345 Mitarbeiter. Das Startkapital kam vor 13 Jahren von den Gebrüdern Strüngmann. Diese sind branchenbekannt: Im bayerischen Holzkirchen hatten sie bereits Hexal hochgezogen (und im Februar 2005 für fünfeinhalb Milliarden Euro an Novartis verkauft).

Bei Betapharm (345 Mitarbeiter) hat seit 2004 ein britischer Finanzinvestor das Sagen: Die Private Equity-Firma 3i legte den Strüngmännern 300 Millionen Euro für die Betapharm-Mehrheitsrechte hin. Falls nun der Verkauf Betapharms beispielsweise an Ranbaxy, den größten indischen Pharmakonzern (Gurgaon, Haryana), klappen würde, hätte 3i innerhalb von nur 24 Monaten eine satte Ernte eingefahren: die 200 Millionen Euro Unterschied zum Kaufpreis 2004 entsprechen üppigen 67 Prozent Gewinn.

Inder seit Jahren in Deutschland aktiv

Vielleicht aber bessert der Besitzer des indischen Mitwettbewerbers Dr. Reddy's, Satish Reddy, noch nach und bietet mehr als die 26,8 Milliarden Rupien, die Ranbaxy derzeit zu zahlen bereit ist? Auf dem deutschen Generika-Markt werden jährlich Medikamente für fünf Milliarden Euro verkauft. Damit ist er der zweitgrößte weltweit und sehr verlockend für externe Wettbewerber.

Auch die indischen Pharmfirmen sind hierzulande schon seit Jahren aktiv: Ranbaxy schnappte sich zuletzt Bayers Generikasparte namens Basics (Leverkusen) und die Generikatochter der französischen Aventis, Torrent (Ahmedabad) kaufte 2005 die Pfizer-Tochter Heumann (Nürnberg), und Wockhardt (Bombay) erwarb im gleich Jahr den kleinen Generika-Hersteller Esparma aus Osterweddingen bei Magdeburg.

Der richtig große Pharma-Deal allerdings lÌÛsst noch auf sich warten. Wird es die Betapharm-Übernahme sein, zu einem maßlos überteuerten Fabelpreis? Ranbaxy oder Dr. Reddy's - wer immer aus diesem Bieterkampf als Sieger hervorgeht, wird hinterher viel mehr ausgegeben haben als die Augsburger wert sind, tuschelt man unter Branchenkennern: Betapharms Produktpipeline sei bestenfalls durchschnittlich, und die Bedingungen auf dem zersplitterten deutschen Generikamarkt könnten sich durch die nÌÛchste Gesundheitsreform nur verschlechtern. Lieber also vorsichtshalber eine Großpackung Loperhoe akut bereit halten!

Winfried Köppelle

Aktualisierung (17.02.2006): Betapharm geht für 480 Mio. Euro an Dr. Reddy's

Nun ist es raus: Seit dem 16. Februar 2006 wird in den Chefetagen der Betapharm GmbH indisch gesprochen: Das zweitgrößte Pharmaunternehmen des Subkontinents, Dr. Reddy's, wird den Augsburger Generikahesteller kaufen.

Es habe zahlreiche Mitbieter gegeben, so der bisherige Betapharm-Inhaber 3i. Dass diese Konkurrenten nicht zum Zuge kamen, könnte sich für sie mittelfristig sogar als Glück erweisen. Denn der Preis dafür, in den deutschen Generikamarkt einzusteigen, war für Dr. Reddy's hoch: Immerhin 480 Millionen Euro blätterten die Inder für die lediglich 186 Umsatzmillionen von Betapharm hin. Die Zukunft wird zeigen, ob Betapharm fast eine halbe Milliarde wert ist.

Das Investorenkonsortium 3i hatte, wie bereits erwähnt, Betapharm erst im März 2004 für 300 Mio Euro von Hexal übernommen. Die Rendite fällt für die Briten mit 60 Prozent Wertzuwachs innerhalb von nur zweieinhalb Jahren somit mehr als anständig aus.

wk



Letzte Änderungen: 23.02.2006