Editorial

Wichtig ist nur, wo wer steht!

(28.11.17) Man kriegt es nicht aus den Köpfen: Immer noch bewerten Bioforscher die Paper-Beiträge ihrer Kollegen vornehmlich anhand der reinen Autorenposition. Dabei sind diese in den Contribution Statements nahezu aller Journals viel detaillierter aufgeschlüsselt.
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Wissenschaft ist heutzutage weitgehend Teamwork – wobei die Teams zunehmend größer werden. Kein Wunder, schwellen damit auch die Autorenlisten wissenschaftlicher Veröffentlichungen immer mehr an. Das Dumme dabei: Berufen, gepreist oder gefördert wird man meist als Einzelner. Diesbezüglich bleibt also nichts übrig, als die Leistungen und Beiträge des einzelnen Kandidaten aus dem Gesamt-Opus des jeweiligen Autoren-Orchesters herauszufiltern. Aber wie?

Früher war das vergleichsweise einfach. Denn von Anfang an hatte man sich geeinigt, über die Autorenpositionen die entsprechenden Signale an die Kollegen zu senden: An erster Stelle steht, wer den Großteil der Experimente gemacht hat, auf den folgenden Plätzen werden die Beiträge immer geringer – und ganz am Ende erscheint auf der Seniorautor-Position in aller Regel der Gruppenleiter als vermeintliches Mastermind der Studie. Dadurch wurde die Bestimmung der Autorenreihenfolge zwar hin und wieder zur durchaus sensiblen Angelegenheit – aber solange die meisten Projekte innerhalb überschaubar großer Arbeitsgruppen liefen, funktionierte das verhältnismäßig gut.

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Co-First and Co-Corresponding Authors

Heute ist Letzteres jedoch eher die Ausnahme – und das System der reinen Autorenreihenfolge entsprechend problematisch geworden. Ein Leser beschrieb dies vor einigen Jahren einmal folgendermaßen:

„In vielen Fachgebieten haben die Top-Journale die Anforderungen an publizierbare Studien in absurde Dimensionen geschraubt. Oft sind zahlreiche verschiedene und hochkomplexe Methoden nötig, um die von Gutachtern und Editoren definierten Anforderungen an Detailtreue, „Tiefgang“ und Umfang der jeweiligen Studien zu erfüllen. Der dazu notwendige Arbeitsaufwand und das geforderte Methodenspektrum können selbst von großen Arbeitsgruppen nicht mehr alleine bewältigt werden – von einem einzelnen Doktoranden oder Postdoc, wie früher,  ganz zu schweigen.

Die Lösung dieses Problems sind Kollaborationen innerhalb und außerhalb der Arbeitsgruppen. Und die führen dann so sicher wie das Amen in der Kirche zu Diskussionen über Autorenschaften. Ich selber habe immer wieder viel Zeit damit verbracht abzuwägen und zu diskutieren, wie die Beiträge einzelner Wissenschaftler und Arbeitsgruppen zu einer Publikation einzuordnen seien und welche Autorenreihung dem am ehesten gerecht werden könnte.“

Ein wenig abdämpfen konnte man dieses Dilemma noch durch die Einführung des Hinweises, dass die Autoren 1 und 2, sowie manchmal auch noch Nummer 3 gleich viel zu der Veröffentlichung beigetragen haben („… authors contributed equally to this work“) – oder dass man nicht einen, sondern gleich zwei oder drei Seniorautoren als Co-corresponding Authors aufführte.

Beiträge spezifizieren

Nachhaltige Linderung des Problems erhoffte man sich aber vor allem von der Einführung sogenannter Contribution Statements. Heute verlangen demnach so gut wie alle ernstzunehmenden Journals als Bedingung für die Einreichung eines Manuskripts, dass die Beiträge der einzelnen Autoren in einem eigenen (wenn auch am Ende meist kleingedruckten) Abschnitt „Authors Contributions“ spezifiziert werden. Damit, so meinte man, könne endgültig jeder nachlesen, wer was und wie viel zu dem jeweiligen Paper beigetragen hat.

Doch was logisch und plausibel erscheint, kann trotzdem in der Praxis untergehen. Dass dies womöglich auch für den Fall der „Authors Contributions“ zutrifft, darauf deuten zumindest die Ergebnisse des frischen Papers „Authorship and contribution disclosures“ der Wirtschaftswissenschaftler Henry Sauermann und Carolin Häussler hin (Science Advances 3 (11): e1700404). Unter anderem heißt es darin, dass nach den Ergebnissen einer Umfrage 45,4 Prozent der Befragten den Beitragswert eines einzelnen Autors immer noch hauptsächlich nach dessen Autorenposition beurteilen würden; 36,9 Prozent der Befragten würden der Autorenliste und dem Contribution Statement hierbei den gleichen Rang einräumen – und lediglich 17,7 Prozent würden dem Contribution Statement den höheren Wert zusprechen.

Bioforscher sind die Schlimmsten

Dies ist wohlgemerkt das gemittelte Ergebnis über einen ganzen Stall von Wissenschaftsdisziplinen. Ausdrücklich betonen die Autoren daher, dass die Befragten aus der Physik und den Sozialwissenschaften der Autorenposition weniger Wert beimessen als vor allem die Kollegen aus … – genau, den Bio- und Lebenswissenschaften.

Warum aber eigentlich? Auch das haben die beiden Studienautoren stichprobenartig nachgefragt. Der Tenor der Antworten von Bioforschern: Die Angaben in den Contribution Statements seien in den meisten Fällen zu allgemein, um von irgendwelchem Nutzen zu sein. Beispielsweise sei darin häufig nur die Art des Beitrags spezifiziert, nicht aber wie viel die betreffende Person damit tatsächlich zur Gesamtstudie beigetragen habe. Und gar nicht mal so selten würden gar sämtliche Autoren in jeder einzelnen Beitragskategorie genannt, um Konflikte und Komplikationen zu vermeiden – was das Statement natürlich zur Karikatur verkommen ließe.

Wir haben uns daraufhin mal zwei zufällig ausgewählte Contribution Statements angeschaut. Das erste stammt aus einem 2016er-Paper im Journal of Biological Chemistry mit 17 Autoren – und lautet wörtlich:

„E. K. conducted most of the experiments and analyzed the results. W. C. V. and A. S. designed and conducted the experiments on CNNM3 surface current function. A. K., J. H. F. d. B., and J. G. J. H. designed and conducted the experiments on CNNM3 biotinylation. Y. Z. conducted the experiment on Bateman module conservation. M. L. conducted the experiment on MCF-7 proliferation with the PRL inhibitor. N. U. made the initial observation of a PRL link with magnesium levels. L. A. M. C. designed and conducted the CNNM3PRL-2 complex modeling. E. K. and S. H. wrote the manuscript, and S. H. provided critical advice on the experimental protocol and revisions of the manuscript. M. L. T. conceived the idea of the project, provided all resources and funding, and edited the manuscript.“

Grundsätzlich weniger Aussagekraft?

Das zweite kommt aus einem 2016er-Paper im EMBO Journal mit 17 Autoren:

„TM and MRM developed the project, analyzed the data, and wrote the paper with assistance from all of the authors. MRM collected SEC data. JL generated the mutants, and MRM and JL purified all proteins. WJE and GGP provided reagents and collected preliminary data. MRM, JL, and AN collected and analyzed CGMALS and AUC data, and SK analyzed CGMALS data. MRM, JLP, SM, RMK, JPT, and SKO collected and analyzed cellular data. SM and SKO collected and analyzed fly data. HZ and PS collected and analyzed FDSAUC data. GBN and MS collected and analyzed MS data. TM collected in vitro ubiquitination data. SP computed statistics on nuclear bodies.“

Sicher, auch unter den Contribution Statements wird es manche schwarzen Schafe geben – genauso wie sich auch hier immer noch so mancher Ehren- oder Günstlingsautor verstecken kann. Aber dass sie grundsätzlich keine zuverlässigeren Möglichkeiten bieten, um die Beiträge der einzelnen Autoren beurteilen zu können, als die pure Autorenreihenfolge – das erscheint zumindest angesichts dieser beiden Beispiele ziemlich absurd.

Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 21.12.2017