Editorial

MicroRNAs auf der Spur

(19.7.17) MicroRNAs (miRNAs) codieren zwar keine Proteine, sie sind aber wichtige posttranskriptionale Regulatoren der Genexpression. Mit der Two-tailed RT-qPCR, die ein tschechisch-schwedisches Forscherteam entwickelte, lassen sich miRNAs präzise und spezifisch quantifizieren.
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miRNAs sind kurze RNA-Moleküle mit nur 19 bis 24 Nukleotiden. Sie entstehen aus langen Primärtranskripten (pri-miRNAs), welche die RNAse III, Drosha zunächst in kürzere, haarnadelförmige pre-miRNAs zerlegt. Nach dem Transport der pre-miRNAs ins Cytosol zerstückelt sie die RNAse III, Dicer schließlich in circa 22 Nukleotide lange doppelsträngige miRNA-Moleküle. Aufgrund ihrer krankheits-spezifischen Expressionsmuster sind miRNAs äußerst attraktive Biomarker. Hinzu kommt, dass sie in Körperflüssigkeiten stabil sind, was minimal-invasiven Probenentnahme-Verfahren entgegen kommt.

Der Knackpunkt ist jedoch die exakte quantitative Bestimmung der exprimierten miRNAs. Die drei hierfür am häufigsten genutzten Methoden sind Mikroarrays, RNA-Seq sowie die RT-qPCR. Jede dieser Strategien hat ihre Vor- und Nachteile. Mikroarrays sind kostengünstiger und mit weniger Aufwand verbunden als die RNA-Seq, man muss jedoch Abstriche bei der Spezifität und dem recht begrenzten dynamischen Umfang hinnehmen. Auch die Probenmenge darf nicht zu knapp sein.

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Die Quantifizierung mit der RT-qPCR ist sehr präzise und einfach durchzuführen. Sie ist jedoch nicht Hochdurchsatz-tauglich und nur zur Analyse einer Handvoll ausgewählter miRNAs geeignet. Problematisch ist die Kürze der miRNAs. Damit Primer überhaupt hybridisieren können, müssen die miRNAs verlängert werden. Die hierzu bisher verwendeten „Andockstellen“ sind universell, tragen also nicht zur Spezifität, sondern vielmehr zum Artefakt-Risiko bei.

Die neue Strategie, die das Team des qPCR-Spezialisten Mikael Kubista vom Institut für Biotechnologie in Prag zusammen mit Mitarbeitern der von ihm gegründeten schwedischen Firma TATAA Biocenter entwickelte, vermeidet diese Gefahr (NAR). Ihr wichtigstes Werkzeug ist ein circa 50 Nukleotide langer haarnadelförmiger Primer, der an beiden Enden miRNA-zielspezifische Abschnitte, sogenannte Hemiprobes trägt. Die sechs Nukleotide lange 3´-Hemiprobe bindet an das 3´-Ende der miRNA, die mehr als zehn Nukleotide lange 5´-Hemiprobe an das 5´-Ende. Die in dem Primer untergebrachten Hemiprobes sollen vor allem unspezifische Interaktionen unterbinden. Kommen der Primer und seine Ziel-miRNA zusammen, legt sich letztere wie eine Kappe über die offenen Haarnadel-Enden.

In Gegenwart Reverser Transkriptase (RT) kommt es zur Verlängerung des Primers: die RT setzt am 3´-Ende an und synthetisiert das zur miRNA passende Gegenstück. Hierbei verdrängt sie die 5´-Hemiprobe. Die Original-miRNA hat ihren Dienst als Vorlage getan, die Kappe löst sich ab. Es verbleibt der Haarnadel-Primer, an dessen 3´-Ende nun die gesamte miRNA-spezifische Sequenz in Form von cDNA hängt. Damit steht eine etwa 70 Nukleotide lange cDNA für die anschließende konventionelle qPCR zur Verfügung. Diese erfolgt mit SYBR-Green-markierten Primern, die spezifisch an je ein Ende der Haarnadel-cDNA binden. Die qPCR-Amplifikate sind somit ein (proportionales) Abbild der ursprünglichen miRNA.

Der Two-tailed-Haarnadelprimer erfüllt also drei Funktionen: er ist zunächst Primer für die Reverse Transkriptase und verlängert gleichzeitig die miRNA-Vorlage für die qPCR. Anschließend dient er als spezifische Andockstelle für den qPCR-Primer.

Wie spezifisch das Verfahren ist demonstrierten die Wissenschaftler, indem sie absichtlich Fehlpaarungen in das 5´-Ende ihres Haarnadelprimers einschmuggelten. Prompt schrumpfte die Menge der vervielfältigten cDNA von hundert auf unter vier Prozent. Sie zeigten zudem, dass ihr System sehr ähnliche Sequenzen verlässlich unterscheiden kann. Im direkten Vergleich mit den gängigen Methoden (TaqMan, Quanta, miQPCR) erwies sich die Two-tailed-RT-qPCR als mindestens ebenbürtig hinsichtlich des dynamischen Umfangs sowie der Sensitivität. Schon hundert cDNA-Moleküle pro RT-Reaktion genügten.

Auch die Angst, dass die amplifizierten Fragmente eine Mischung aus pre-miRNAs und miRNAs sind, erwies sich als unbegründet. Die Forscher setzten miRNAs sowie eine Mischung aus miRNAs und miRNA-Vorläufern als qPCR-Proben ein und quantifizierten anschließend die qPCR-Produkte. Hierbei stellten sie nur minimale unspezifische Kreuzreaktionen fest.

Mit der nur etwa zweieinhalb Stunden dauernden Two-tailed RT-qPCR ist es sogar  möglich, isomiR-Varianten aufzuspüren, die sich nur minimal in der Länge und der Nukleotid-Sequenz am 3'-Ende unterscheiden. Aber nicht nur deshalb ist sie eine interessante Alternative zu den üblichen RT-qPCR-basierten Verfahren zur Quantifizierung von miRNAs.

 

Andrea Pitzschke

 



Letzte Änderungen: 22.08.2017