Editorial

Lichtgesteuerte RNAi in 3D-Zellkulturen

(24.5.17) In vitro hergestellte Gewebe und Organe sind nicht nur als Organersatz interessant, sondern auch als Modellsysteme für realistischere Medikamenten-Screenings. Amerikanische Forscher wollen die Entstehung dieser sogenannten Organoide mit Licht steuern.
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© Peter Allen illustration

Moderne Verfahren zur In-vitro-Herstellung von Organoiden oder Geweben basieren häufig auf 3D-Druckverfahren. Ein 3D-Drucker positioniert die einzelnen Zelltypen aber sehr ungenau. Viele Zellen überleben die Druck-Prozedur nicht oder landen an den falschen Stellen. Einige Forscher setzen deshalb auf eine sanftere Strategie: Sie füllen pluri- oder multipotente Stammzellen in vorgefertigte 3D-Matrizen und versuchen sie anschließend zur Differenzierung anzuregen. Aber wie gelangt das Kommando zur Differenzierung an die richtige räumliche Position innerhalb der Matrize?

Die Gruppe des amerikanischen Biochemikers Norbert Reich von der University of California will dieses Problem mit einen optogenetischen Ansatz lösen: Seine Mitarbeiter verwenden Lichtstrahlen, die sie präzise positionieren und dosieren können für die Steuerung von Zellen, die zu Organoiden heranwachsen sollen (Adv Mater).

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Die gängigen optogenetischen Methoden nutzen vor allem sichtbares Licht, um Lichtrezeptoren fusionierter Zielproteine zu aktivieren oder anderweitig zu kontrollieren. Bei zweidimensionalen Strukturen ist dies kein Problem. Sichtbares sowie ultraviolettes Licht dringt jedoch nicht allzu tief in dreidimensionales Gewebe ein, zudem droht bei UV-Strahlen ein "Sonnenbrand".

Reichs Team verwendet deshalb Nah-Infrarot-Licht (NIR), das sich genau fokussieren lässt und bis zu zehn Zentimeter in Gewebe eindringt. Mit einem NIR-Laser versuchen die Amerikaner die Verteilung von siRNAs in den einzelnen Zellen dreidimensionaler, kugelförmiger Stammzellkulturen gezielt zu steuern. Über RNA-Interferenz sollen die lichtinduzierten siRNAs dann Gene in ausgesuchten Arealen der Sphäroide stumm schalten. Soweit zumindest der Plan der kalifornischen Forscher.

Um zu zeigen, dass ihre Idee tatsächlich funktioniert, schalteten sie ein Demo-Gen (GFP) in dreidimensionalen Gebilden aus humanen embryonalen Stammzellen (hESCs) punktgenau aus. Hierzu schleusten sie zunächst inaktive GFP-siRNAs in Zellen ein, die GFP exprimierten. Die siRNAs trugen eine Thiol-Modifikation und waren über Gold-Schwefel-Bindungen an die Oberfläche von Gold-Nanopartikeln (Hollow Gold Nanoshells, HGNs) gebunden. Die Gruppe bestrahlte die siRNAs mit NIR-Licht, wodurch sie sich von den HGNs ablösten und hierdurch aktiviert wurden. Da die siRNAs ein farbiges Anhängsel (Quasar570-Label) trugen, konnten Reichs Mitarbeiter ihren Weg direkt verfolgen.

Die Gruppe hatte jedoch ein Problem: Aus Vorversuchen wusste sie, dass eine zu intensive Bestrahlung die Zellen tötete, zu geringe Dosen jedoch nicht tief genug in die Sphäroide eindrangen. Die Lösung des Problems fand die Gruppe in Form eines Rho-assoziierten Protein Kinase (ROCK)-Inhibitors, der die Überlebensfähigkeit der bestrahlten Zellen deutlich verbesserte.

Die Reihenfolge der einzelnen Schritte des Versuchs-Protokolls ist bis zu einem gewissen Grad flexibel. Statt die Zellen direkt mit den siRNA-Goldpartikeln zu transfizieren und dann mit NIR-Licht zu bestrahlen (die Lichtreize sind bis zu drei Tage nach der Transfektion wirksam), kann man diese auch zuerst in einem Hydrogel einbetten, und zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt mit den Goldpartikeln transfizieren. Innerhalb von drei Tagen erfolgt dann die Bestrahlung mit dem NIR-Laser, um das Silencing auszulösen. Die zweite Variante hat den Vorteil, dass die ansonsten Abbau-anfälligen siRNAs noch intakt sind, selbst wenn die Einbettung schon länger zurückliegt.

In beiden Fällen wachsen die transfizierten und bestrahlten Zellen normal, auch die Expression der nicht stumm geschalteten Gene wird nicht negativ beeinflusst.

Aktuell tüftelt Reichs Crew daran, den Wnt-Signalweg punktgenau in Zell-Hydrogel-Strukturen auszuschalten. Mit dem Ziel, hESCs zur Differenzierung zu Nervennetzhaut und retinalem Pigmentepithel anzuregen.

Weitere Anwendungen sehen die Wissenschaftler in der Kombination mit In-vivo-Imaging-Methoden, um Entwicklungsprozesse in vivo verfolgen zu können. Hierbei sollte man aber immer ein Auge darauf haben, dass der eingesetzte ROCK-Inhibitor nicht doch zu ungewünschten Nebenwirkungen führt.

 

Andrea Pitzschke

 



Letzte Änderungen: 21.06.2017