Editorial

Gewinnspiel: Wie heißen die Neuen?

(11.1.16) Vier neue Elemente brauchen einen Namen. Wer sie vorab errät, kann ein Laborjournal-T-Shirt gewinnen!


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Wie sollen die vier heißen?

Kohlenstoff und Schwefel sind die einzigen Elemente, die die Menschheit schon in grauer Vorzeit als solche erkannte. Der Rest war Unwissen sowie der jahrhundertelange Glaube, die Welt bestehe aus lediglich vier oder – in China – fünf Grundelementen (Erde/Wasser/Feuer/Luft – beziehungsweise Erde/Wasser/Feuer/Metall/Holz).

Dann kam der Ire Robert Boyle (1626-1691) und machte seinen sich vor Hexen und Geistern ängstigenden Mitmenschen klar, dass glauben "nix wissen" heißt und man besser Experimente macht, will man nicht doof sterben. Wie ein reinigender Wirbelwind pulverisierte Boyle die bis ins 17. Jahrhundert hinein geltende "Vier-Elemente-Lehre" seiner alchimistisch-einfältigen Kollegen und legte daneben auch die Grundlagen für das Periodensystem der Elemente, das Dmitri Mendelejew und Lothar Meyer im 19. Jahrhundert schufen und das bis heute grundlegend fürs Verständnis chemischer Zusammenhänge ist. Jeder von uns hat das "PSE" in der Schule gelernt und es entweder gehasst oder geliebt; letztere wurden verdächtig oft Laborjournal-Leser.

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Dass sich beängstigend viele aufgeklärte Bürger im noch jungen Jahr 2016 dennoch zum Okkultismus hingezogen fühlen und sich ins kuschelig-schwindsüchtige Mittelalter ohne böse Apparatemedizin und Masernimpfung zurücksehnen (aber bitte keimfrei-vegan!), soll hier nicht weiter vertieft werden. Unbelehrbare Dumpfbacken gab's zu allen Zeiten, wie bereits Robert Boyle vor 400 Jahren leidvoll erkennen musste.

Russischer Wodka-Experte Mendelejew

Der erwähnte Mendelejew jedenfalls, ein Russe mit mächtigem Hipster-Bart sowie Chemieprofessor an der Universität Sankt Petersburg, machte sich zunächst um die qualitative Verbesserung der russischen Wodkaherstellung verdient, ehe er am 6. März 1869 das Periodensystem der Elemente (PSE) unter dem Titel Die Abhängigkeit der chemischen Eigenschaften der Elemente vom Atomgewicht veröffentlichte. 63 Elemente umfasste seine damalige Tabelle, deren Einträge er geschickt nach ähnlichen chemischen Eigenschaften sortiert hatte und deren Genialität einen bis heute staunen lässt.

Dass Mendelejews Fachkollege Lothar Meyer – damals am Polytechnikum Karlsruhe, ab 1877 dann in Tübingen zuhause – quasi simultan, aber intellektuell unabhängig, eine sehr ähnliche Element-Auflistung veröffentlichte, ist als kuriose Anekdote in die Annalen der Chemie eingegangen. Hätten die beiden nur ein paar Jahrzehnte später gelebt – man wäre nicht umhin gekommen, ihnen schleunigst den Nobelpreis zu verleihen. Immerhin sprach ihnen die britische Royal Society 1882 wenigstens ihre Davy-Medaille zu.

Teilchen, die die Natur nie gesehen hat

Elemente, das sind definitionsgemäß Stoffe, die sich mit chemischen Methoden nicht weiter in andere Stoffe zerlegen lassen. Inzwischen kennt man 118 von ihnen, knapp doppelt so viele also wie zu Mendelejews Zeiten. 80 davon sind stabil; sie und 14 weitere radioaktive Elemente kommen auf der Erde natürlich vor. Die eingangs genannten Kohlenstoff und Schwefel gehören zu diesen "natürlichen" Elementen; natürlich auch biologisch relevante Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff, Calcium und Iod; alle möglichen Metalle von Eisen über Zink und Cadmium bis hin zu Gold und Platin; die hochgiftigen Elemente Quecksilber, Thallium und Blei und natürlich auch die radioaktiven Elemente Radon, Uran und Plutonium.

Die restlichen 24 Elemente – sämtlich radioaktiv und von extrem kurzer Lebensdauer – haben Physiker in den letzten Jahrzehnten künstlich hergestellt. Sie werden ausschließlich zu Forschungszwecken hergestellt und haben ansonsten – zumeist – keine praktische, wirtschaftliche oder sonstige Bedeutung (eine Ausnahme wird im Folgenden genannt). Künstliche Elemente tragen oftmals skurrile Namen, beispielsweise das "Darmstadtium" mit der Ordnungszahl 110: Es wurde erstmals am 9. November 1994 im GSI-Forschungszentrum in Darmstadt hergestellt, indem man ein Blei- mit einem Nickel-Ion fusionierte.

Künstlich hergestellte Atome sind meist extrem selten. Vom Darmstadtium etwa wurde bislang erst wenige Dutzend Atome hergestellt.

Wozu aber das Ganze? Der engagierte Teilchenphysiker lächelt gnädig über solch dumme Fragen und fährt damit fort, seinen Teilchenbeschleuniger mit scharfer Atomkernmunition zu beladen, um weitere instabile Elemente zu erzeugen, die die Natur nie gesehen hat und die man nur mit ausgefuchsten Messgeräten kurz "sieht". Bioforscher hingegen verweisen auf den großen Nutzen von beispielsweise Californium (252Cf; Ordnungszahl: 98), das als Neutronenquelle in der Krebsmedizin seit Jahrzehnten zur Strahlentherapie und somit zur Bekämpfung bösartiger Tumore verwendet wird.

Seit der Jahrtausendwende vier neue Elemente erzeugt

Ganz im Geiste Mendelejews agierten junge russische Forscher in den letzten Jahren, unterstützt von beziehungsweise im Wettstreit mit Kollegen aus Japan und den USA: Sie erzeugten neue, wahnwitzige Elemente weit jenseits von Blei und Uran. Die vier jüngsten dieser extrem schwierigen und aufwändigen "Nukleogenesen im Labor" gelangen in den Jahren seit 2002. Damals beschossen die Wissenschaftler im Kernforschungszentrum Dubna bei Moskau das erwähnte, ebenfalls künstliche Element Californium mit Calcium-Ionen und erhielten in der Folge durch Kernverschmelzungsprozesse ganze drei (richtig gelesen: drei!) Atome des schwersten bisher hergestellten Elements: ein Edelgas mit dem vorläufigen Namen Ununoctium (lat. "1-1-8"). Die Ununoctium-Atome (294Uuo) existierten übrigens weit kürzer als ein Biologe für das Aussprechen des Wortes "Ununoctium" braucht: Nur Bruchteile einer Sekunde nach der Entstehung zerbarsten die 118 Kernprotonen des Ununoctiums kaskadenartig via Alphazerfall in kleinere Kerne (zu Element 116, 114 und 112) und schließlich in ein stabiles Endprodukt.

Auch das Ununpentium (Ordnungszahl: 115) und das Ununtrium (113) entstanden in den Jahren 2002 bis 2005 in Dubna – und Ununtrium unabhängig davon auch 2012 am japanischen Riken-Center – ehe 2010 das bislang jüngste künstliche Element geschaffen wurde: Erneut beschossen die russischen Forscher in ihrem Zyklotron ein radioaktives Element (Berkelium, 97 Protonen) mit in diesem Fall Kalziumatomen (20 Protonen) und erzeugten so wie erhofft einen wiederum dickleibigen wie kurzlebigen Brummer: das Ununseptium (Ordnungszahl: 117).

Das Recht der Namensgebung

Nachdem deutsche Forscher am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt auch das letztgenannte Experiment 2014 erfolgreich wiederholt und damit verifiziert hatten, erkannte die IUPAC (der Internationale Chemikerverband) im Dezember 2015 die Experimente der Russen offiziell an: Die beteiligten Wissenschaftler aus Dubna dürfen somit, gemeinsam mit den Kollegen aus den USA, drei der vier neuen Elemente mit den Arbeitsnamen Ununoctium, Ununpentium sowie Ununpentium griffigere Bezeichnungen sowie Zweibuchstaben-Symbole geben.

Das verbleibende vierte neue Element, das Ununtrium, dürfen hingegen die japanischen Entdecker vom Riken-Institut benennen.

In der Tagespresse kam dies allerdings nicht so richtig rüber – es kann gar keine Rede davon sein, dass just in diesen Tagen "das Periodensystem um die Elemente 113, 115, 117 und 118 ergänzt" worden sei. Nein, liebe Kollegen: Ergänzt ist das PSE längst, spätestens seit der erfolgreichen Verifizierung der Experimente.

Es ist auch nicht so, dass das Periodensystem nun endlich "komplett" sei, wie ein großes deutsches Nachrichtenmagazin seinen Lesern weismachen wollte. Nein, liebe Kollegen aus München: Das Periodensystem ist nicht "komplett". Es wurde nur abermals um weitere vier Einträge erweitert – und wird in den kommenden Jahren sicherlich weitere Ergänzungen erfahren, sobald Kernphysiker weitere Elemente jenseits der Ordnungszahl 118 erschaffen.

Nein, es geht im Moment "nur" noch um die offizielle Namensgebung für die vier Neuzugänge und um die offizielle Aufnahme dieser Namen in die Fachliteratur. Ein eher bürokratischer Vorgang somit. Keineswegs sind demnächst "Millionen Chemiebücher falsch", wie ein Boulevardmagazin titelte. Nein, sie sind nur ein bisschen unvollständiger als ohnehin – gedruckte Fachwerke hinken dem jeweils aktuellen Forschungsstand zwangsweise immer etwas hinterher.

Worauf wird die Wahl fallen?

Tja, was werden sich die Teilchenphysiker wohl ausdenken anstelle der holprigen Bezeichnungen "Ununoctium, Ununpentium, Ununtrium und Ununpentium"? "Mendelevium" jedenfalls wird's nicht werden – dieser naheliegende Name ist seit dem Jahr 1994 offiziell an das Element mit dem Symbol Md und der Ordnungszahl 101 vergeben (entdeckt 1955 an der University of California in Berkeley, die selbst auch schon zum Namensgeber für ein künstliches Element geworden ist).

Dem Laborjournal-Redakteur kamen spontan folgende Namen in den Sinn:

1. "Boyleclaveium" – zu Ehren zweier brillianter Skeptiker, die sich gegen den herrschenden Aberglauben ihrer Zeit stellen: Einmal Robert Boyle, der 1661 in The Sceptical Chymist schrieb: "Chemische Elemente sind jene primitiven Stoffe, die weder aus anderen Substanzen noch auseinander entstanden sind, sondern die Bestandteile bilden, aus denen gemischte Stoffe bestehen.". Zum anderen der Franzose Etienne de Clave, der bereits 1641 anmerkte: "Elemente sind einfache Stoffe, aus denen die gemischten Stoffe zusammengesetzt sind und in welche die gemischten Stoffe letztlich wieder zerlegt werden können." – Doch ob ausgerechnet Amerikaner einem Franzosen die letzte Wissenschaftler-Ehre erweisen? Sehr unwahrscheinlich. Beim Iren Boyle stehen die Chancen für eine Namensgeberschaft weit besser – dessen Nachfahren leisteten als Nachfahren ihrer in die USA migrierenden Vorfahren immerhin beim Anschlag des 9. September in New York wertvolle Feuerwehr- und Polizeidienste.

2. Auch der legendäre Zerschmetterer der Phlogistontheorie, der französische Chemiker Antoine Laurent de Lavoisier (1743-1794), hätte es vollauf verdient, als Namensgeber eines chemischen Elements zu fungieren. Wie wäre es also mit "Lavoisierium"? Man würde den liberalen Naturwissenschaftler, der am 8. Mai 1794 in den Wirren der französischen Revolution auf der Guillotine hingerichtet wurde, damit auch posthum rehabilitieren - ihn, den genialen Experimentator, über dessen Todesurteil der Vorsitzende Richter spottete: "Die Republik braucht weder Wissenschaftler noch Chemiker." Doch auch Lavoisier, oh weh!, ist ein Franzose. Und die sind heutzutage halt leider die "Bösen" für jeden vaterlandstreuen Amerikaner.

3. Der Name "Meyerium" wäre auch noch frei, zu Ehren des deutschen Chemikers Lothar von Meyer, der 1869 zeitgleich mit Mendelejew das Periodensystem ersann (siehe oben). Dass sich aber Russen, Amerikaner und Japaner ausgerechnet für einen Germanen als Namensgeber entscheiden, auch wenn dieser es sicherlich verdient hätte und zudem die transatlantisch-pazifische Partnerschaft Obama-Merkel-Abe ideell gestärkt würde? Mehr als zweifelhaft! Denn die Russen werden keineswegs einverstanden sein, ausgerechnet noch einen Deutschen zu Namensehren zu verhelfen. Immerhin gibt's für uns Teutonen ja bereits das Copernicium, das Darmstadtium, das Einsteinium, das Hassium und das Roentgenium. Das sollte reichen.

4. Also mal wieder ein Russe? Warum nicht – wie wäre es mit dem Stalinpreis-gepreisten und als "Held der Sozialistischen Arbeit" ausgezeichneten Andrei Sacharow? Der "Vater der sowjetischen Wasserstoffbombe" als Namensgeber für eines der vier neuen Elemente könnte sogar Wladimir Putin zusagen, auch wenn Sacharow zum Lebensende hin eher als Dissident und lascher Friedensaktivist auffiel denn als harter Verfechter russischer Nationalinteressen. Also besser doch nicht "Sacharowium"? Wie wäre es stattdessen mit einem gerühmten Helden der Russischen Föderation, Stalinpreis- und Leninorden-Träger in Personalunion, dessen Erfindung weltweit zur Verbreitung kleiner Teilchen beiträgt: "Kalaschnikowium" im Periodensystem würde Wladimir Putin bestimmt sehr stolz machen. Fast so sehr wie "Putinium" vermutlich. Aber das wiederum liest sich so ähnlich wie Plutonium... egal, genug der Spekulation!

Die Namenswahl, ein Politikum!

Dass die Namenswahl neuer Elemente durchaus ein internationales Politikum darstellen kann, zeigt die kurvige Geschichte des Elements mit der Ordnungszahl 87.

Vorhergesagt wurde dessen Existenz bereits 1871 von Mendelejew: Er benannte das damals noch nicht entdeckte Element mit "Eka-Caesium". 54 Jahre später berechnete der Russe Dmitri Dobroserdow das Atomgewicht sowie chemische und physikalische Eigenschaften des Elements 87 und nannte es Russium. Vier Jahre später behauptete US-Physiker Fred Allison, er habe das Element bei Mineral-Untersuchungen nachgewiesen und nannte es nach seinem Heimatstaat Virginium. Erneut sieben Jahre später glaubten ein Rumäne und ein Franzose erneut, als Erste das Element entdeckt zu haben und nannten es Moldavium.

Zweifelsfrei gelang der Nachweis des Elements 87 jedoch erst 68 Jahre nach Mendelejew. Die Französin Marguerite Perey wies es als Zerfallsprodukt von Actinium zweifelsfrei nach - und benannte es mit dem ab 1949 offiziell IUPAC-akkreditierten Namen Francium - nach dem Vaterland der Entdeckerin. Vive la France!

Mehr Schwermetall ins Periodensystem mit Lemmy?

Gänzlich unpolitisch wäre es hingegen, den Wunsch eines gewissen John Wright aus England zu erfüllen: Dieser setzt sich mittels einer Petition dafür ein, dass eines der neuen Elemente nach dem unlängst verstorbenen Volksmusiker Lemmy Kilmister benannt wird. Angesichts der Tatsache, dass Ununtrium (Ordnungszahl: 113) als "Eka-Thallium" möglicherweise Schwermetall-typische Eigenschaften besitzt, würde der Name "Lemmium" ganz hervorragend passen. Angeblich hat Wright bereits 1.200 Unterschriften zusammen. Ob die zur Namensgebung berechtigten Wissenschaftler allerdings etwas mit den in diesem Zusammenhang essentiellen Begriffen "Snaggletooth" oder "Ace of Spades" anzufangen wissen, darf bezweifelt werden.

Laut IUPAC können neue Elemente "nach (1) einem mythologischen Konzept, (2) einem Mineral, (3) einem Ort oder Land, (4) einer Eigenschaft oder (5) einem Wissenschaftler benannt werden. Der Name "Lemmium" würde perfekt die Kriterien sowohl der ersten als auch der fünften  Kategorie erfüllen. Wie jeder Schwermetall-Interessent weiß, war Herr Kilmister erstens höchstpersönlich ein Mythos, und dazu ein begeisterter Experimentator und Forscher, wie es nur wenige andere gab – speziell auf dem Gebiet der bewusstseinserweiternden Drogenmedizin sowie der infernalischen Schalldruckphysik.

Nun sind Sie dran, liebe Leser!

Wohlan, liebe Leser: Tippen Sie die vier künftigen Namen der neuen Elemente! Boyleclaveium, Kalaschnikowium, Putinium, Lemmium - oder ganz anders? Jeder Name, der die oben genannten IUPAC-Kriterien erfüllt, ist erlaubt. Wer mit zumindest einem Namen richtig (oder wenigstens ähnlich) liegt - also einen der vier Namen vorhersagt, auf den auch die Wahl der Namensgeber fällt - der gewinnt eines von drei brandneu gestalteten Laborjournal-T-Shirts. Bei mehr als drei richtigen Einsendungen (an: wk(ät)laborjournal-archiv.de) entscheidet das Los. Einsendeschluss ist der 31. Januar 2016; spätestens aber genau der Moment, in dem die neuen Namen erstmals öffentlich bekannt werden.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 28.04.2016